Beim Gipfel in New York will die Weltgemeinschaft Bilanz ziehen

Hausaufgaben nicht gemacht

Weltweite Armut halbieren, Krankheiten und Seuchen drastisch eindämmen und den Bildungsstand heben - das waren die Versprechen, die 189 die Weltgemeinschaft im Jahr 2000 feierlich verabschiedete. Zehn Jahre später fällt die Bilanz - auch wegen der Wirtschafts- und Bankenkrise - ernüchternd und regional höchst unterschiedlich aus.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Der Lärm soll nicht zu überhören sein: Wenn UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon am 20. zum Gipfeltreffen in New York einlädt, sollen die Staats- und Regierungschefs mit weltweiten Stand-Up-Aktionen und Demonstrationen an ihr Versprechen erinnert werden, die Millenniumsziele zugunsten der Dritten Welt bis 2015 umzusetzen.



Erfolge gibt es vor allem in Süd- und Ostasien, wie eine Studie der UN-Millenniumskampagne und des britischen Overseas Development Institut (ODI) bilanziert. Auch etwa der Hälfte der afrikanischen Staaten attestiert das ODI Fortschritte bei der Armutsbekämpfung.

Doch vor allem südlich der Sahara sieht es düster aus.



Zahl der Hungernden gestiegen

Zwar konnte der Welthunger-Index seit 1990 um etwa ein Viertel gesenkt werden. Die absolute Zahl der Hungernden ist jedoch im gleichen Zeitraum gestiegen: von 817 Millionen auf mehr als eine Milliarde. Auch bei der Bildung ist das Ergebnis zwiespältig. Zwar gehen heute mehr Kinder zur Schule als je zuvor. Doch immer noch haben laut Unicef mehr als 100 Millionen Jungen und Mädchen keine Schulbildung.



Ban fordert deshalb einen Aktionsplan. Die Millenniumsziele zu verfehlen wäre "ein inakzeptables Versagen", mahnt er. "Die Risiken dieser Welt würden sich vervielfachen: von Instabilität über Epidemien bis hin zu Umweltzerstörung". Der Erfolg hängt nicht zuletzt am politischen Willen der reichen Industriestaaten, darunter auch Deutschlands. Doch die Bundesrepublik macht nach Meinung der früheren UN-Sonderbeauftragten für die Millenniumsziele, Eveline Herfkens, ihre Hausaufgaben nicht.



2010 ist der Haushalt des Entwicklungsministeriums um 256 Millionen auf 6,07 Milliarden Euro gestiegen. Der Anteil am Bruttosozialprodukt beträgt 0,4 Prozent. Damit hat die Regierung das zugesagte Zwischenziel, in diesem Jahr 0,51 Prozent zu erreichen, klar verfehlt. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland damit mäßig ab: 2009 lag die durchschnittliche Quote der Entwicklungsausgaben der Industriestaaten bei 0,48 Prozent.



Norwegen, Schweden, Dänemark und die Niederlande erfüllen bereits jetzt das UN-Ziel von 0,7 Prozent. Belgien, Finnland, Irland und Großbritannien haben zumindest das Zwischenziel von 0,51 Prozent erreicht.



So wichtig das 0,7-Prozent-Ziel ist: Klar ist nach Meinung von Experten auch, dass eine umfassendere Entwicklungsagenda notwendig ist. Ungerechte Welthandelsregeln kosten die Entwicklungsländer etwa das Sechsfache dessen, was sie an Hilfe erhalten. Notwendig ist deshalb auch ein faires Handels- und Finanzsystem sowie ein Abbau von Agrarsubventionen, fordern Hilfsorganisationen.



Jens Martens, Leiter des Europabüros des Global Policy Forum (GPF) in Bonn, hat auch die zunehmende Börsenspekulation mit Nahrungsmitteln und den Ausverkauf von Ackerland in Dritte-Welt-Ländern als Entwicklungshemmer identifiziert. Zudem müssten die Steueroasen ausgetrocknet werden, damit sich korrupte Eliten aus dem Süden nicht weiter ungehindert bereichern könnten.



Eckhard Deutscher, Vorsitzender im Entwicklungsausschuss der OECD, fordert außerdem eine Neuorientierung der weltweiten Entwicklungshilfe. Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn bemängelte er ein Wirrwarr unterschiedlichster nationaler Entwicklungsstrategien und eine kaum zu überblickende Vielfalt von Projekten und Hilfsorganisationen. Statt kleinteiliger Entwicklungshilfe sei eine breit angelegte multilaterale Entwicklungspolitik mit einheitlicher Strategie erforderlich. Damit hat sich Deutscher allerdings bei der Bundesregierung keine Freunde gemacht. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) will genau das

Gegenteil: keine globale Strukturpolitik, weniger Multilateralismus, mehr deutsche Flagge zeigen.