Beim Deutschlandbesuch von Benedikt XVI. sind Protokollfragen wichtig

Und doch kein Staatsbesuch

Es ist kein Staatsbesuch, wohl aber eine offizielle Reise, zu der Papst Benedikt XVI. an diesem Donnerstag nach Deutschland aufbricht. Die Unterschiede zwischen Staatsbesuch und offiziellem Besuch liegen vor allem im Protokoll.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel und Johannes Schidelko
 (DR)

Eingeladen haben den Papst  Bundespräsident Christian Wulff sowie die Deutsche Bischofskonferenz; zudem lagen ältere Einladungen des Bundestagspräsidenten sowie des Thüringer und des niedersächsischen Ministerpräsidenten vor.



Benedikt XVI.  nimmt mit Blick auf sein geistliches Amt manche Programmteile nicht wahr, die zu einem Staatsbesuch hinzugehören würden. So verzichtet er meist auf eine Einladung zum Staatsbankett. Er wird nicht in einem staatlichen Gästehaus untergebracht, sondern logiert beim Aufenthalt in der Hauptstadt in der Nuntiatur, also der Vatikan-Botschaft, ansonsten in einer Residenz des jeweiligen Ortsbischofs oder im Priesterseminar.



Mit den Ehren eines Staatsgastes empfangen

Im Übrigen aber wird Benedikt XVI., der als Papst und Inhaber des Heiligen Stuhls ein eigenständiges Völkerrechtssubjekt ist, in Deutschland mit den Ehren eines Staatsgastes empfangen. Der Bundespräsident wird ihn begrüßen, die Nationalhymnen Deutschlands und des Vatikan werden gespielt, Ehrenformationen treten an, Salutschüsse abgegeben. Später empfängt der Papst im Katholischen Büro in Berlin die Bundeskanzlerin - als Regierungschefin ist sie ihm protokollarisch nicht gleichgestellt. Danach hält der Papst seine mit Spannung erwartete Rede vor dem Deutschen Bundestag.



Erst am frühen Abend folgt mit der Messe im Olympiastadion ein pastorales Element, bei dem sich der Papst in seiner Predigt als Kirchenoberhaupt vor allem an "seine" Gläubigen wendet. Hier besucht er dann die katholische Ortskirche in Berlin; deren höchster Vertreter, Erzbischof Rainer Woelki ist freilich auch schon vorher dabei. Einen ähnlichen Mix gibt es auch in Thüringen und in Freiburg. Neben den offiziellen Treffen mit den Ministerpräsidenten, sowie in Freiburg mit den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts, gibt es pastorale Teile, insbesondere die Gottesdienste.



Einen eigenen Rang und Stellenwert haben mittlerweile die interkonfessionellen und die interreligiösen Begegnungen des Papstes. Sie folgen einem eigenen, "religionsdiplomatischen" Protokoll, bei dem viele Feinheiten zu beachten sind. Manches folgt einem unausgesprochenen Proporz: Trifft er die Juden, dann in der Regel auch die Muslime - und umgekehrt. Und in Erfurt gilt es als symbolischer Durchbruch im katholisch-evangelischen Miteinander, dass der ökumenische Gottesdienst, an dem der Papst aktiv teilnimmt, in einem evangelischen Kirchengebäude stattfindet.



Fließende Grenzen

Die Grenzen zwischen Staatbesuch, offizieller Visite und Pastoralreise sind in der Praxis oft fließend. So absolvierte Benedikt XVI. im September in England ein der Deutschlandreise in vielen Punkten vergleichbares Programm - und dort firmierte es unter "Staatsbesuch". Aber auch die reinen "Pastoralreisen" des Papstes - etwa zum Weltjugendtag oder zu Wallfahrten nach Fatima oder Santiago de Compostela - schließen fast immer einen "Staatsteil" ein.



Das hat allein schon praktische Gründe. Papstreisen, wie sie sich in den vergangenen 45 Jahren unter Paul VI. und dann unter Johannes Paul II. entwickelt haben, sind zu Großereignissen mit internationaler Resonanz geworden - und zwingend auf das Mitwirken der staatlichen Behörden angewiesen. Das gilt für Fragen der Sicherheit, aber auch für Luftraum und Transport. Daher setzen Papstbesuche generell eine Einladung oder zumindest das Einverständnis des Staates voraus. Vorbei die Zeiten, in denen Politiker wie 1979 der polnische Parteichef Edward Gierek sich vor dem Papstbesuch fürchteten wie der sprichwörtliche Teufel vor dem Weihwasser.