Beim Ägyptenbesuch von Westerwelle rücken die Religionen in den Mittelpunkt

Keine leichten Antworten

Außenminister Westerwelle hat zum Auftakt seiner Ägypten-Reise das alte Christenviertel von Kairo besucht. Begleitet hat ihn Frank van der Velden. Über den Besuch und das Verhältnis von Kopten und Muslimen spricht der Vertreter der deutschen Gemeinde spricht im domradio.de-Interview.

 (DR)

domradio.de: Westerwelle besucht in Ägypten auch die koptischen Christen. Die werfen der muslimischen Mehrheit schon seit Jahren Diskriminierung vor. Wie bewerten Sie die Lage der Kopten?

Van der Velden: Das wurde der Außenminister auch von den Pressevertretern gefragt worden, und der hat deutlich betont, dass für ihn die koptischen Christen ein integraler Bestandteil der ägyptischen Gesellschaft sind. Nun muss man auch sehen, dass wir nach wie vor in Ägypten einen sehr soliden bürgerlichen Konsens haben, der ein friedliches Miteinander von Christen und ägyptischen Muslimen beabsichtigt. Es ist nicht so, dass die politischen Parteien oder Teile der Gesellschaft die Kopten aus dem Land treiben möchten. Es geht vielmehr um die Frage der gesellschaftlichen Teilhabe, d.h. zu welchen Bedingungen die Religionen in Ägypten zukünftig zusammenleben sollen.



domradio.de: Wie könnten solche Bedingungen denn aussehen?

Van der Velden: Auch das wurde der Minister gefragt, die nach der Zukunft der Kopten, häufig mit besorgter Stimme - angesichts der Tatsachte, dass die Parlamentswahlen ja nun ein Ergebnis erbracht haben, dass 70 Prozent der Parlamentsabgeordneten islamischen Parteien angehören. Diese Frage ist leicht zu stellen, aber sehr schwer zu beantworten. Der Minister hat gesagt, soweit ich das verstehen konnte, man müsste zunächst einmal mit allen politischen Parteien in Ägypten reden, um zu schauen, was sie diesbezüglich überhaupt auf der Agenda haben. Viele Parteien haben außer hehren Versprechungen und Slogans nicht viel Anfassbares an Inhalten in die Welt gesetzt, was das Zusammenleben von Christen und Muslimen beschreibt. Und das macht dann wieder einen großen Anteil der koptischen Ängste zurzeit aus - und das zu Recht.



domradio.de: Westerwelle trifft auch Vertreter der bei den Wahlen erfolgreichen Muslimbrüder. Was kann er hier erreichen?

Van der Velden: Er kann hervorheben, dass es der Bundesrepublik Deutschland das Thema sehr wichtig ist. Und diese öffentliche Aufmerksamkeit ist für die koptischen Christen als Zeichen der Solidarität nicht zu unterschätzen.



domradio.de: Gibt es in Ägypten eine religiöse Spaltung?

Van der Velden: Ich erzähle die Geschichte einmal andersherum: Wir hatten gerade das Jahresgedächtnis der Tahrir-Revolution gefeiert, und vor einem Jahr haben sich ja Kopten und Muslime völlig abseits ihrer Religionszugehörigkeit auf dem Tahrir-Platz getroffen und Revolution gemacht. Die Revolution hatte nie eine religiöse Agenda. Viele neue Freundschaften und Kontakte sind in dieser Zeit gewachsen, gerade zwischen den jungen politischen Eliten, auf beiden Seiten. Im Herbst wurde das Jahr dann von Attacken gegen die Kopten bestimmt in Kairo. Was ist seitdem passiert? Als das Jahrgedächtnis gefeiert wurde, ist ein großer Demonstrationsplatz zu dem benachbarten Fernsehgebäude gezogen. Dort mündete im Oktober eine Kopten-Demonstration in blutiger Gewalt. Vor dem Gebäude zogen die Menschen dann ihre Schuhe aus und hielten sie in Richtung Fernsehgebäude - das ist ein großes Zeichen der Missachtung. Sie machen den obersten Militärrat für die aus dem Ruder gelaufene Demonstration und die Gewalt gegen koptische Demonstranten verantwortlich. Und haben damit auch gezeigt: Der Muslim und der Christ gehen zusammen - und haben ein gemeinsames Schicksal. Auch solche Szenen bestimmen das öffentliche Leben in Kairo.



Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.