Gegenwärtig werden die Kinder von der Behörde betreut. Etwa 130 Frauen aus der Sekte sollen freiwillig bei den Kindern sein. Etwa 60 Männer blieben auf der Ranch. Nach Angaben der Behörde ist es schwierig, die Namen und die Familienzugehörigkeit der Kinder verlässlich festzustellen. Die Behörde hat DNA-Tests beantragt, wie die Zeitung "Houston Chronicle" berichtete. In wenigen Tagen sollen Gerichtsverfahren über die Zuweisung von Vormündern und möglicherweise von Pflegefamilien anlaufen.
Nach der Lehre der mehrere tausend Mitglieder zählenden "Fundamentalistischen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage", einer Splittergruppe der Mormonen, müssen Männer mehrere Ehefrauen haben, um in den Himmel zu kommen. Frauen müssten sich vollkommen unterordnen, minderjährige Mädchen werden offenbar zum Heiraten gezwungen. Sektenführer Warren Jeffs wurde 2007 im Bundesstaat Utah wegen Beihilfe zur Vergewaltigung zu mindestens zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Die Polizeirazzia wurde nach Angaben des zuständigen Sheriffs durch den anonymen Anruf einer 16-Jährigen auf der Ranch ausgelöst. Ihr 50-jähriger "Ehemann" vergewaltige und misshandle sie. Einmal habe er ihr sogar die Rippen gebrochen. Nach Presseberichten hat die Polizei die 16-Jährige noch nicht gefunden.
Vorwürfe an die Polizei
Bei der Durchsuchung der etwa 700 Hektar großen Ranch sei man in dem dreistöckigen Tempel auf einen Raum mit mehreren Betten gestoßen. Die Polizei vermutet Presseberichten zufolge, dass Minderjährige dort zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden sind. Bisher wurden aber in El Dorado noch keine Sektenmitglieder festgenommen.
Inzwischen wird die Frage laut, warum Sheriff David Doran nicht früher eingriff. Die Sekte hat die Ranch bereits vor vier Jahren gekauft, und Vielehe ist in den USA verboten. Doran erklärte auf einer Pressekonferenz, er sei vor der Polizeiaktion mehrmals auf dem abgeschlossenen Gelände gewesen, habe aber wenig gesehen und nur mit einigen Führern der Sekte gesprochen. Die Sektenmitglieder hätten sich verborgen gehalten.
Der "Salt Lake Tribune" zufolge ist inzwischen eine frühere Ehefrau von Merrill Jessop, dem Oberhaupt der Ranch in El Dorado, in Texas eingetroffen. Carolyn Jessop war nach eigenen Angaben Merrills vierte Frau. Sie sei bei der Heirat 18, er 50. Carolyn Jessop hat ihren Mann und die Sekte 2003 verlassen und hilft jetzt Aussteigern. Sie sei "erleichtert und besorgt", erklärte sie zur Befreiung der Kinder. Die Kinder und die Frauen fürchteten sich vermutlich sehr, denn die Sekte lehre, dass alle Außenstehenden schlechte und gefährliche Menschen seien. Sie hoffe, dass die Vorgänge in der isoliert lebenden Gruppe nun endlich ans Tageslicht kommen.
Zehntausende leben in polygamen Familien
Nach Ansicht von Marci Hamilton, Rechtsprofessorin an der Princeton Universität, geht der Staat zu selten gegen Gruppen vor, die Vielehe betreiben. Wegen des Prinzips der Glaubensfreiheit ergreife der Staat nur ungern Maßnahmen gegen religiöse Organisationen, so die Expertin für Familienrecht. Dabei gebe es "kein Recht auf Kindsmissbrauch".
Hamilton appellierte an die Behörden in Texas, mit aller Schärfe gegen erwachsene Sektenmitglieder vorzugehen, die nicht die Wahrheit sagten oder Ermittlungen behinderten.
Schätzungen zufolge leben in den USA Zehntausende Menschen in polygamen Familien. Angehörige der "Fundamentalistischen Kirche" haben sich vor allem in Utah, Arizona und Texas niedergelassen. Sektenführer Jeffs warnt vor der nahenden Endzeit. Gott werde alle Menschen vernichten - außer den Auserwählten der "Fundamentalistischen Kirche".
Von Konrad Ege (epd)
Behörden in Texas suchen nach Razzia bei Sekte nach einer Lösung
Was tun mit 400 Kindern?
Die Kinderschutzbehörde des US-Bundesstaates Texas steht vor einem großen Problem: Was tun mit den mehr als 400 Kindern der Sekte "Fundamentalistische Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage"? Die Behörde hatte die Kinder vergangene Woche bei einer mehrtägigen Polizeiaktion auf der Ranch der Sekte im texanischen El Dorado in ihre Obhut gebracht. Es habe Hinweise auf sexuellen Missbrauch der Mädchen unter den Kindern gegeben.
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