Deutliche Mehrheit für "Ehe für alle" in der Schweiz

Bedeutungsverlust für die katholische Kirche?

Der Weg zur "Ehe für alle" in der Schweiz war kein Sprint, sondern eher ein Marathon. Nach dem "Ja" bei einer Volksabstimmung steht einer Gesetzesänderung nun nichts mehr entgegen. Wie ist dieses Votum einzuordnen?

Hochzeitsringe / © Oleg Mitkevych (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Mit deutlicher Mehrheit haben sich die Menschen in der Schweiz für die "Ehe für alle" ausgesprochen. Beim Volksentscheid am vergangenen Wochenende haben über 64 Prozent der Stimmberechtigten für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen. Was bedeutet diese Entscheidung für die Schweiz, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen?

Mario Galgano (Schweizer Journalist und Redakteur bei Vatican News): Diese Abstimmung in der Schweiz für die "Ehe für alle" bedeutet eigentlich eine Anpassung für etwas, was in ganz Europa schon sehr verbreitet ist. Eigentlich ist die Schweiz eines der letzten Länder, das dies einführt, also die zivilrechtliche Anerkennung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare und damit verbunden natürlich auch alle Rechte und Pflichten, die man in der Ehe erkennt. Dazu gehören auch das Adoptionsrecht sowie Einbürgerungsrechte und so weiter. Das ist jetzt also das Neue und das Besondere daran.

DOMRADIO.DE: Die Entscheidung für die Ehe für Alle scheint ja alles andere als knapp ausgefallen zu sein. War das wirklich so eindeutig - auch in allen Gebieten und in den unterschiedlichen Milieus?

Galgano: Die Schweizerinnen und Schweizer waren da ziemlich eindeutig. Die "Ehe für alle" wurde in allen 26 Kantonen angenommen. Es gab eine überwiegende, große Mehrheit in allen Regionen, in allen Sprachregionen und auch in den konfessionellen Gebieten, ob das katholische oder reformierte Gebiete sind. Überall wurde das mit großer Mehrheit angenommen.

Es gab also wirklich keine Gebiete, Zonen oder Gruppen, die das abgelehnt hätten, sondern es ist wirklich so, dass diese "Ehe für alle" überall mit eindeutiger Mehrheit angenommen wurde.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet diese Entscheidung in der Schweiz nun für die Gesellschaft und den sozialen Wandel. Ist das auch so etwas wie eine wegweisende Entscheidung für einen Kulturwandel - auch in eine zunehmend säkulare Gesellschaft?

Galgano: Ich würde sagen, es ist nicht unbedingt ein Zeichen des Kulturwandels, sondern eine Anpassung. Es ist ja so, dass durch die direkte Demokratie, durch die Tatsache, dass die Schweizerinnen und Schweizer direkt über alles befinden dürfen und müssen, eigentlich alles ein bisschen langsamer abläuft als im Rest Europas. Die Schweiz ist eines der letzten Länder im Westen, das das Frauenstimmrecht 1971 eingeführt hat. In Deutschland und im Rest Europas wurde die "Ehe für alle" teilweise schon seit ein paar Jahren durch das Parlament, durch die Volksvertreter angenommen.

In der Schweiz ist es so, dass man längere Prozesse braucht, um zu diesem Punkt zu gelangen. Es braucht diese Prozese, damit das Volk das mittragen kann. Das heißt, es braucht immer Zeit. Deshalb würde ich jetzt nicht von einem Kulturwandel sprechen, sondern es ist in dem Sinne für Schweizer Verhältnisse normal, was jetzt geschehen ist.

DOMRADIO.DE: Die katholische Kirche in der Schweiz hat sich im Vorfeld klar positioniert und gegen die Ehe für alle ausgesprochen. Die Schweizer haben sich anders entschieden. Heißt das auch, dass die Kirche in der Schweiz immer mehr an Bedeutung für die Menschen verliert?

Galgano: Ich würde auch nicht sagen, dass es einen Bedeutungsverlust für die katholische Kirche ist. Die Bischöfe haben sich dazu im Vorfeld der Abstimmung geäußert. Sie waren eher für das "Nein" und haben argumentiert, weshalb sie dagegen sind.

Aber es wurde ganz klar auch von Katholikinnen und Katholiken, die dafür gestimmt haben, hervorgehoben, dass es ja nicht um die kirchliche Trauung, die kirchliche Ehe und das kirchliche Eheverständnis geht, sondern um das zivilrechtliche Verständnis der Ehe. Das ist eigentlich eine Angelegenheit des Staates. Auf diese Trennung haben eigentlich alle Vertreterinnen und Vertreter der katholischen Kirche hingewiesen, dass es nicht um eine Vermischung zwischen der kirchlichen Ehe und der zivilrechtlichen Ehe geht. Und in dem Sinne ist es also kein Bedeutungsverlust der Kirche, sondern eine Klarstellung.

Natürlich wird jetzt auch innerhalb der katholischen Kirche in der Schweiz schon darüber diskutiert, wie sich die katholische Kirche an sich mit dem Themen Homosexualität und homosexuelle Paare verhalten soll. Aber das ist jetzt nicht anders als in Deutschland oder sonst wo auf der Welt. Da würde ich diese Trennung schon machen.

DOMRADIO.DE: Hat es denn nach der Abstimmung für die "Ehe für Alle" eine Reaktion der Schweizer Bischöfe oder der Bischofskonferenz gegeben?

Galgano: Die Bischöfe haben sich nach der Abstimmung nicht offiziell dazu geäußert. Das ist schon ein bisschen besonders, denn im Vorfeld hatten sich dazu geäußert. Es gab einen Hirtenbrief. Und es ist ja immer so, dass sich die Bischöfe in der Schweiz zu allen wichtigen Abstimmungen, die moralische oder ethische Themen anbelangt, äußern. Es wird auch von den Schweizern und Schweizern ein bisschen verlangt, dass sich die Bischöfe zu solchen Themen äußern.

Jetzt hat sich aber die Bischofskonferenz nicht dazu geäußert. Das muss man so zur Kenntnis nehmen. Das soll aber nichts besonderes bedeuten, sondern sehr wahrscheinlich nehmen die Bischöfe einfach zur Kenntnis, wie die Abstimmung ist verlaufen ist und schauen einfach weiter. Ich würde jetzt da auch nicht zu viel hineininterpretieren, dass sich die Bischöfe nicht geäußert haben.

Das Interview führte Johannes Schröer.


Mario Galgano mit Schweizergardist (privat)
Mario Galgano mit Schweizergardist / ( privat )
Quelle:
DR