Vivaldis farbige Vertonung von Psalm 112

"Beatus vir"

Besonders bekannt ist der alttestamentliche Text durch die lateinischen Anfangsworte "Beatus vir" (Wohl dem Mann). Thema ist der Segen der Gottesfurcht. Gepriesen wird im Psalm der Mensch, der ein gottgefälliges Leben führt. Den Gottlosen hingegen geht es schlecht. Antonio Vivaldi vertonte den Text im 18. Jahrhundert.

Geigenspieler / © Jens Kalaene (dpa)
Geigenspieler / © Jens Kalaene ( dpa )

Der Venezianer ist bis heute vor allem für seine schwungvollen Violinkonzerte berühmt, besonders für den Konzertzyklus „Die vier Jahrzeiten“. Zu Lebzeiten war er ein bekannter Violinvirtuose, berühmt für seine Konzerte und Opern, von denen er rund 50 schrieb. Im Bereich des Instrumentalkonzertes komponierte er sogar rund 500 Werke. Daneben schrieb Vivaldi auch einiges an geistlicher Musik. Denn auch wenn wir heute Vivaldi als Komponisten und Virtuosen kennen – von seiner Ausbildung her war er katholischer Priester und Instrumentallehrer am Ospedale della Pieta in Venedig. Das war ein Waisenhaus für Mädchen.

Vivaldi stammte aus einer musikalischen Familie, doch bei aller musikalischen Begabung und einer guten Ausbildung, wurde er 1703 zum Priester geweiht. Wegen seiner Haarfarbe wurde er scherzhaft Il Prete Rosso „der rote Priester“ genannt. Allerdings hatte Vivaldi zeit seines Lebens gesundheitliche Probleme und wurde bald vom Messelesen befreit. Die Krankheit hielt ihn aber nicht davon ab, sich stattdessen in die Arbeit beim Ospedale als Dirigent, Lehrer und Komponist zu stürzen.

Durch Instrumentalunterricht erreichten die Mädchen am Ospedale eine erstaunliche Meisterschaft, die das Haus berühmt werden ließ. Vivaldi hatte daran entscheidenden Anteil, die Aufführungen wurden zu wahren kulturellen Ereignissen. Erfolg hatte Vivaldi aber auch auf dem Gebiet der Oper. Natürlich wurde im Ospedale nicht nur Instrumentalmusik aufgeführt – bei den Gottesdiensten kam auch Gesang zum Einsatz und so gibt es auch einige Werke für Chor von Vivaldi, die aber zahlenmäßig viel geringer sind. Vor allem die Psalmen, die damals in den aufwändigen Vespergottesdiensten vorgesehen waren, vertonte Vivaldi sehr gekonnt. Dabei ging er meistens gleich vor. Er unterteilte den Text aus dem Alten Testament der Bibel in mehrere Abschnitte und änderte von Abschnitt zu Abschnitt die Besetzung. Mal singt der ganze Chor, dann wieder nur einzelne Sänger.

Auffällig bei der Psalmvertonungen Beatus vir von Antonio Vivaldi: das Werk ist für zwei Orchester und zwei Chöre besetzt – als Erinnerung an die große Zeit der Doppelchörigkeit am Ende des 16. hin zum 17. Jahrhundert in Venedig. Speziell an der San Marco-Basilika wurde die Technik oft angewandt. Zwei Chöre sangen sich echoartig zu, bisweilen taten dies auch drei oder vier Chöre, was zu beeindruckenden Effekten führte.

Als gebürtiger Venezianer, der selbst im Orchester an der Kathedrale Geige gespielt hatte, war Vivaldi mit dieser Tradition natürlich bestens vertraut. Sehr geschickt spielt Vivaldi mit der Doppelchörigkeit, die auch die Solisten betrifft. Zwei Bassisten singen zum Beispiel echoartig, der eine dem anderen hinterher, bis sie schließlich einstimmig singen – was für unsere Ohren heute etwas ungewohnt klingt. Typisch für das Werk ist aber noch ein weitere Besonderheit: Immer wieder kommt der erste Vers Beatus vir als Kehrvers zwischen den Versen.

Erst seit einigen Jahrzehnten rückt die geistliche Musik von Vivaldi wieder mehr in den Vordergrund. Allein die Psalmvertonung Beatus Vir zeigt, dass sich die Beschäftigung mit dieser Seite im kompositorischen Schaffen Vivaldis mit Sicherheit lohnt.

(Erstsendung am 19.07.2015, Wiederholung: 10.07.2016)