Bayerns Märchenkönig Ludwig II. fasziniert auch 125 Jahre nach seinem Tod

Liebenswürdig und ein bisschen gaga

Er gehört zu den Ikonen europäischer Kulturgeschichte: Seine Schlösser, allen voran Neuschwanstein, ziehen jährlich Millionen Touristen nach Bayern. Der bayerische Märchenkönig Ludwig II. steht im Mittelpunkt von Büchern, Filmen und Bühnenstücken. Und anlässlich seines Todestages auch wieder einmal in dem einer Ausstellung.

Autor/in:
Brigitte Vordermayer
 (DR)

Von Samstag (14.05.2011) an bis 16. Oktober ist ihm die bayerische Landesausstellung mit dem Titel "Götterdämmerung" im Neuen Schloss Herrenchiemsee gewidmet. Auch 125 Jahre am 13. Juli 1886 nach seinem mysteriösen Tod im Starnberger See beschäftigen die Menschen sich nicht nur mit Ludwigs Vorliebe für Schlösserbau. Viele Gerüchte und Geschichten ranken sich um seine Person: War der König mit der ausgeprägten Leidenschaft für Richard Wagner und Edgar Allan Poe wirklich geisteskrank oder war seine Entmündigung ein intrigantes Komplott der Wittelsbacher Familie?



Hatte der selbstverliebte Träumer das Zeug, sein Land zu regieren, oder versagte er als Herrscher? Begehrte er männliche Reiterknaben mehr als Frauen und löste deshalb so schnell seine Verlobung mit Prinzessin Sophie Charlotte? War das Ableben des Zwei-Meter-Mannes im Uferwasser Freitod, Unfall oder Mord?



Geschlagen und vernachlässigt

Für Empörung unter den "Königstreuen" sorgte "Enthüllungen" in der Biografie des Münchner Historikers Rudolf Reiser, in der er den "Kini" zum Halbitaliener erklärte. Ludwigs "Vater" Maximilian habe an einer unheilbaren, hoch ansteckenden Geschlechtskrankheit gelitten. Deshalb habe er den italienischen Kammerdiener Giuseppe Tambosi zu seinem "Stellvertreter" gemacht.



In seiner Kindheit sei Ludwig geschlagen und vernachlässigt worden, dies erkläre sein "unstetes Wesen" und die Flucht in Scheinwelten. Dass er mit 18 auf den Thron kam, direkt zwei Kriege führen und den Verlust der Selbstständigkeit Bayerns bei der Reichsgründung 1870/71 hinnehmen musste, habe den sensiblen Monarchen überfordert und in eine "Gegenwelt" der Künste flüchten lassen, meint auch der Direktor des Hauses des Bayerischen Geschichte in Augsburg, Richard Loibl.



Bezüglich Ludwigs Tod ist der Historiker sicher, der Arzt Johann Bernhard Aloys von Gudden habe ihn auf Anweisung von Missgönnern für geisteskrank erklärt, an den See gelockt, mit Chloroform betäubt und ertränkt.



Weder wahnsinnig noch geistesschwach

Mit Ludwigs psychischer Verfasstheit setzt sich auch der Mannheimer Hirnforscher Heinz Häfner auseinander. "Ludwig II. war weder wahnsinnig noch geistesschwach. Er verfügte über außergewöhnliche geistige Fähigkeiten bis in die letzten Tage seines Lebens", schreibt der Psychiater in seiner Biografie. Auch er ist überzeugt, dass die Familie um den späteren Regenten Prinz Luitpold ihn loswerden wollte.



Der König sei seinen Herrschertätigkeiten ohne Mängel nachgekommen, so Häfner. Zu Unrecht würden seine Verdienste übergangen, obwohl er nicht nur die drei Königsschlösser Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Linderhof hinterließ, sondern auch die Bayerische Musikakademie und die Technische Universität München gründete, Förderer moderner Technologien und kultureller Bereiche war. Das einzige, was er vernachlässigte, waren laut Häfner repräsentative Pflichten - der Hirnforscher bescheinigt Ludwig eine soziale Phobie und Angst, verachtet zu werden. Deshalb ging er Menschen aus dem Weg und zog sich in die Berge und die mystische Welt zurück.



Beim Thema sexuelle Neigung ist die Fachwelt mittlerweile weitgehend einig: In Briefen und Tagebüchern gebe es genügend Beweise, dass der gutaussehende Frauenschwarm intime Beziehungen zu Reitersoldaten pflegte. "Ein Leben lang kämpft Ludwig II. mit seiner homoerotischen Veranlagung", schreibt Historiker Hermann Rumschöttel. Ludwig selbst, der ein sehr gläubiger Katholik gewesen sei, habe seine Sexualität als sündhaft empfunden und darunter gelitten.



"Die Sehnsucht nach einem Mythos ist riesengroß"

Ist es nur Neugierde und Sensationsgier, die Menschen dazu bringt, den Märchenkönig noch heute zu bejubeln? Für den Bayreuther Pfarrer Bernhard Wolf, der im Auftrag seiner Landeskirche die Gegenwartskultur beobachtet, leistet der Ludwig-Mythos weit mehr: "Die Sehnsucht nach einem Mythos, in dem ich mich bergen kann in einer Welt, die immer kälter wird, ist riesengroß", erklärt er. Und dafür eignen sich die aufregenden Geschichten rund um den Märchenkönig ideal. Er sei eine Projektionsfläche für Verehrung, Sehnsüchte und Träume wie kaum eine andere historische Figur.



Und ob nun homosexueller Halbitaliener oder nicht - seine Anhänger schätzen ihn, wie Bayerns Finanzminister und oberster Dienstherr der Schlösserverwaltung, Georg Fahrenschon (CSU) es auf den Punkt bringt. Weil König Ludwig so anders war: "liebenswürdig, leicht exzentrisch und ein bisschen gaga."