Bartholomaios I. plädiert für EU-Mitgliedschaft der Türkei

Trotz Defizite Weg nicht versperren

Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel hat sich für eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU ausgesprochen. Das Land müsse allerdings die Kriterien für einen Beitritt erfüllen, sagte das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie am Mittwoch im Europaparlament. Dass es sich bei der Türkei um ein mehrheitlich muslimisches Land handele, dürfe freilich kein Hinderungsgrund sein.

 (DR)

Mit seiner Forderung nach einem vollen EU-Beitritt sei er sich mit der großen Mehrheit der türkischen Bevölkerung einig, so der Patriarch. Die großen Religionen könnten dazu beitragen, Nationalismus und Fundamentalismus zu überwinden.

Hohe Hürden
Bartholomaios I. bemängelte Defizite der Türkei bei den Menschenrechten und besonders der Religionsfreiheit. Vor allem verlangte er eine Wiedereröffnung des 1971 von den türkischen Behörden geschlossenen Priesterseminars Chalki und die Rückgabe von Kirchengütern. Trotz des neuen Stiftungsgesetzes sei noch nicht abzusehen, ob es dazu kommen wird.

Europaparlamentspräsident Hans-Gert Pöttering nannte die Wiedereröffnung des Seminars eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für einen EU-Beitritt der Türkei. «Wir müssen darauf bestehen, dass Christen in der Türkei die gleichen Möglichkeiten haben, ihren Glauben auszuüben, wie Muslime in der EU», so der CDU-Politiker. Seine Empfehlung an die türkische Regierung sei, sich etwas schneller zu bewegen und die Grundprinzipien der EU anzuerkennen.

Bartholomaios I. bezeichnete vor den Europaabgeordneten den interkulturellen Dialog als überlebensnotwendig für die Menschheit. Ansonsten seien Übergriffe und Verfolgung und letztlich ein «großangelegter Selbstmord der Menschheit» die Folge. Das europäische Projekt sei auch deshalb wichtig, so der Patriarch, weil es hier gelungen sei, eine friedliche Zusammenarbeit von Völkern zu erreichen, die sich noch vor Jahrzehnten erbittert bekämpft hätten.

«Rechte von Minderheiten respektieren»
Mit Blick auf Einwanderer verlangte der orthodoxe Kirchenvertreter, die Rechte von Minderheiten zu respektieren. «Gesellschaften, die auf Ausgrenzung und Unterdrückung aufgebaut sind, können nicht überleben», so Bartholomaios I. Nur wenn es gelinge, alle anderen Menschen zu respektieren, könne man auch ihre Andersartigkeit akzeptieren. Unterschiede unter den Menschen müsse man als Ausgangspunkt für Begegnung begreifen. Dann könnten Verständnis, Wertschätzung und sogar Liebe wachsen.

Ausdrücklich mahnte der Patriarch eine stärkere Beachtung der Orthodoxie in der EU an. Europa treffe nicht nur mit Muslimen und Nicht-Christen zusammen, sondern auch mit Christen, die nicht Katholiken oder Protestanten sind. Die Wiedergeburt der orthodoxen Kirche nach dem Fall des Kommunismus sei ein Wunder gewesen und habe die Welt überrascht. Eine der wichtigsten Rollen seines Patriarchates sieht Bartholomaios I. darin, die traditionellen orthodoxen Länder zu unterstützen.

Das orthodoxe Ehrenoberhaupt sprach im Rahmen des Europäischen Jahres des interkulturellen Dialogs zu den Europaabgeordneten. Im Januar hatte bereits der syrische Großmufti Scheich Ahmad Badr el Din Hassoun im Parlamentsplenum gesprochen. Pöttering kündigte an, im November werde sich der Londoner Oberrabbiner Jonathan Sacks in Straßburg an die Abgeordneten wenden.