Avignon feiert 700 Jahre Ankunft der Päpste

Attraktiv und gemütlich

"Exil von Avignon", so nennen Kirchenhistoriker jene rund 70 Jahre, in denen die Päpste nicht in Rom, sondern in dem Rhone-Städtchen in Frankreichs Südosten residierten. Die Ankunft von Clemens V. vor 700 Jahren, am 9. März 1309, ist hier ein Grund, mal wieder ein bisschen zu feiern - wenn auch nicht zu groß.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Der Papstpalast in Avignon: Trutzburg der Päpste / © Michael Borgers (DR)
Der Papstpalast in Avignon: Trutzburg der Päpste / © Michael Borgers ( DR )

Wenn man die Provencalen auf das "Exil" oder die "Babylonische Gefangenschaft" der Päpste anspricht, ist die Antwort immer die gleiche: "Exil - was soll das heißen?", sagen sie dann, reflexhaft und abschätzig. Schließlich lebt man hier doch buchstäblich wie Gott in Frankreich. In dem 90.000-Einwohner-Städtchen Avignon genügt man sich selbst. Ein Gläschen Pastis, ein gutes Essen - worüber sich aufregen?

Immerhin: Am Wochenende ließ sich sogar der Vatikan blicken. Benedikt XVI. schickt seinen französischen Kurienkardinal Paul Poupard.

Der frühere Präsident des päpstlichen Kulturrates kann auf dem Vorplatz des Papstpalastes ein buntes Programm erleben. Riesig, so ist der Eindruck des Besuchers, wenn er vor dem steinernen Gebirge steht. "Riesig" soll auch der mittelalterliche Eintopf sein, den die Veranstalter für Samstagmittag ankündigen. Freier Eintopf und freier Eintritt in den Palast mit seinen schlanken 15.000 Quadratmetern Nutzfläche; dazu mittelalterliche Spektakel für alle.

Am Sonntagmorgen dann ein Festgottesdienst in der Kathedrale, in der die Päpste Johannes XXII. und Benedikt XII. bestattet sind. Am Nachmittag wird im Palast eine provisorische Poststelle aufgebaut, die eine Sondermarke ausgibt. Alles in allem doch ein eher bescheidener Auftritt, wenn man bedenkt, wie radikal der Zuzug der Kurie seit 1309 die Geschicke und das Gepräge der Stadt verändert hat.

Rund 90.000 Menschen leben heute rund um die berühmte Rhone-Brücke von Avignon. Gerade mal 6.000 waren es, als Clemens V. 1309 das Papsttum nach Frankreich brachte. Eine ideale Lage für eine sichere
Residenz: im Besitz der Grafen der Provence, die Vasallen der römischen Kirche waren. Im Königreich Arelat und damit auf Reichsgebiet, allerdings am Grenzfluss zu Frankreich, der Rhone.
Umgeben schließlich von der Grafschaft Venaissin, die bereits seit
1229/1274 päpstlicher Herrschaft untersteht.

Clemens V. macht 1309 zwar erste Station im Dominikanerkloster von Avignon - doch scheint ihm das heiße, überfüllte Städtchen mit Blick auf seine angeschlagene Gesundheit nicht der richtige Ort für einen dauerhaften Aufenthalt. Er hält sich zunächst vor allem im nahen Carpentras auf, später in einem kleinen Palast am Fuß des Mont Ventoux.

Erst Johannes XXII., noch wenige Jahre zuvor Bischof von Avignon, quartiert sich als Papst (1316-1334) in seinem alten Bischofshaus ein. Fortan ist die Stadt bis 1367 ständige und ab 1370 noch mal kurz vorübergehende Residenz der Päpste. Das geht einher mit einem massiven Ausbau der Verwaltung. 600 Kuriale und etwa 1.000 weitere Personen des Hofes müssen untergebracht werden. Häuser werden angemietet, viele auch beschlagnahmt. Notunterkünfte werden durch immer prächtigere Neubauten ersetzt. Bauten mit prächtigen Eichendecken, in denen heute etwa die Öffentliche Bücherei der Stadt untergebracht ist. Höflinge, Händler und Banken, Kunst und Kultur folgen der Macht: Avignon nimmt einen kometenhaften Aufstieg.

Umso tiefer der Fall: Nach der Rückkehr der Päpste nach Rom sinkt das Städtchen zur Provinz zurück. Über dreieinhalb Jahrhunderte, von
1433 bis zur Französischen Revolution, residieren im verfallenden Palast päpstliche Legaten. Seit der Revolution Gefängnis und bis
1906 Armeekaserne, erleidet der steinerne Koloss unzählige Umbauten und Schäden, die erst im 20. Jahrhundert allmählich beseitigt werden..

Mit rund 650.000 Eintritten jährlich zählt der Palast heute zu den Top Ten der meistbesuchten Touristenattraktionen Frankreichs. Dazu kommen rund 570.000 Besucher des internationalen Theaterfestivals, das seit 1947 im Innenhof stattfindet. Stars wie Jeanne Moreau und Philippe Noiret starteten hier ihre Karrieren.

Attraktiv, gemütlich, ein bisschen verschlafen, so präsentiert sich Avignon in diesem Frühjahr 2009. Die Europäische Kulturhauptstadt 2000, die Stadt des Theaters, ist mal wieder Papst - ein kleines bisschen zumindest.