Auswirkungen der Bahnprivatisierung umstritten

Weniger Nahverkehr für mehr Geld?

Die Bundesregierung hat ihr Konzept zur Privatisierung der Bahn beschlossen, trotz deutlicher Kritik am Gesetzentwurf von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Wenn Tiefensees Entwurf umgesetzt werde, bleibe die Monopolstellung der Deutschen Bahn bestehen, kritisiert VCD-Verkehrsreferentin Heidi Tischmann den Entwurf des Ministers.

 (DR)

Eigentlich stehe im Grundgesetz, dass der Staat verpflichtet sei, eine intakte Bahn-Infrastruktur vorzuhalten. "Aber darauf hat der Staat keinen Einfluss mehr, wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird", so Verkehrsexpertin Tischmann. Dann werde die Deutsche Bahn das Schienennetz betreiben und es mit ihren Transportgesellschaften nutzen. "Es ist zu befürchten, dass die Mitbewerber nicht die gleichen Konditionen bekommen wie die Deutsche Bahn", sagte sie.

Börsengang 2008
Mit Blick auf die Kritik am Gesetzentwurf sagte Verkehrsminister Tiefensee, er sei für die Anregungen der Abgeordneten und der Vertreter der Länder offen und gehe davon aus, dass bei gutem Willen aller Beteiligten die Terminpläne eingehalten werden können. Er rechne damit, dass die Bahn als integriertes Unternehmen Ende 2008 an den Kapitalmarkt gehen könnte - "in welcher Form auch immer".

Tiefensee betonte, dass kein Investor Zugriff auf das Schienennetz haben werde, da dieses im Eigentum des Bundes verbleiben werde. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den vorliegenden Entwurf sehe er nicht.

15 Jahre Nutzungsrecht
Die Initiative "Bahn für alle" warnte, nach Tiefensees Gesetzentwurf bleibe das Streckennetz nur formal Eigentum des Bundes. Der Bahn werde ein Nutzungsrecht für mindestens 15 Jahre eingeräumt. "Gleichzeitig verpflichtet sich die Bundesrepublik, der Bahn ihre Eigeninvestitionen ins Streckennetz zu ersetzen, sollten die Gleise und Anlagen in 15 Jahren an den Staat zurückgehen", erläuterte Werner Reh vom Bündnis "Bahn für alle". Doch der Staat werde nicht in der Lage sein, das Geld für den Wertausgleich aufzubringen. "Die Summe wird den Privatisierungserlös bei weitem übersteigen", sagte der Verkehrsexperte.

Kritik kommt auch von der SPD-Linken. Der Vorsitzende der Jusos, Björn Böhning, sagte: "Ich habe noch kein überzeugendes Argument für den Verkauf der Bahn gehört - nicht vom Verkehrsminister und auch nicht von Bahnchef Hartmut Mehdorn." Aus sozialen und ökonomischen Gründen sei das Projekt nicht zukunftsfähig. Die großen Privatisierungswellen der 90er Jahre hätten auf kommunaler Ebene gezeigt, dass man politische und demokratische Entscheidungsspielräume abgebe, ohne zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten durch mehr Geld in den Haushalten zu erhalten. "Damit muss Schluss sein. Die SPD muss ihre Privatisierungspolitik überdenken", fordert Böhning von der eigenen Partei.

Kritik aus den Ländern
Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) kritisiert den Gesetzentwurf der großen Koalition zur Privatisierung der Bahn als unzureichend. Wittke befürchtete in einem Gespräch mit der "Westdeutschen Zeitung" (Dienstagausgabe), dass dem Staat jede Einflussmöglichkeit auf Investitionen in die Bahninfrastruktur und deren Erhalt genommen werde. Und dies, obwohl weiter jedes Jahr rund 2,5 Milliarden Euro an öffentlichen Zuschüssen flössen. Auf der Sonderkonferenz der Verkehrsminister von Bund und Ländern am 2. August will er sich daher für Änderungen an dem Entwurf einsetzen.

"Auf einem klassischen Gebiet der Daseinsvorsorge darf nicht allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden werden", mahnte der Minister. Dies könne dazu führen, dass sich die Bahn allein auf den rentablen Fernverkehr konzentriere und den Regional- und Nahverkehr vernachlässige. "Massive Bauchschmerzen" habe er zudem, weil der Wettbewerb auf der Schiene eingeschränkt werde. Dieser habe bislang "bessere Preise und bessere Qualität" garantiert. Das Bundeskabinett wollte den Entwurf am Dienstag verabschieden.

Hessens Verkehrsminister Alois Rhiel (CDU) nannte den die Vorlage am Dienstag untauglich und wenig verbraucherfreundlich. Tiefensees Vorschlag bevorzuge die Deutsche Bahn AG zu Lasten der Kunden und neuer Eisenbahnunternehmen. Bei einem privatwirtschaftlich betriebenen Schienennetzmonopol seien erhebliche Erhöhungen der Nutzungsentgelte und damit Preissteigerungen zu befürchten. Riehl forderte echten Wettbewerb zwischen Eisenbahnunternehmen. "Deutschland braucht eine klare Trennung zwischen Netz und Verkehren sowie eine effektive Regulierung der Trassenpreise", sagte er.