Australiens Parlament entschuldigt sich bei Aborigines

"Ehrlichkeit, Wahrheit und Mitgefühl"

Australiens Parlament hat sich am Mittwoch bei den Angehörigen und Nachfahren der "Gestohlenen Generation" für das erlittene Unrecht entschuldigt. In einer historischen Sitzung stimmten die Fraktionen in Canberra einmütig der Rede von Premierminister Kevin Rudd zu. "Für die Schmerzen, das Leid und die Pein der 'Gestohlenen Generationen', ihrer Nachfahren und ihrer Familien bitten wir um Entschuldigung", betonte Rudd.

 (DR)

Schätzungsweise 100.000 Aborigines waren im Zuge einer rassistischen Assimilierungspolitik zwischen 1910 bis 1970 ihren Eltern und Familien gewaltsam fortgenommen worden. Eine Reihe von Abgeordneten der konservativen Opposition stimmte entweder gegen die Entschuldigung oder boykottierte die Sitzung.

Rudd versprach den Aborigines einen Neuanfang. Er selbst werde zusammen mit Oppositionsführer Brendan Nelson eine Kommission zur Verbesserung der katastrophalen Lebenssituation der australischen Ureinwohner leiten. Als oberste Priorität bezeichnete der Regierungschef die Schaffung von Wohnungen in den abgelegenen Aboriginal-Gebieten sowie von Ausbildungsmöglichkeiten.

Mehr Beifall als Kritik
Die Entschuldigungsrede rief unter Aborigines gemischte Reaktionen hervor. Pat Dodson, der als Vater der Versöhnungsbewegung zwischen dem schwarzen und weißen Australien bezeichnet wird, nannte die Ansprache ein "mutiges Statement" nach einem Jahrzehnt der Ignorierung der "Gestohlenen Generation" durch Ex-Premier John Howard. John Moriarty, ein Sprecher der "Gestohlenen Generation", kritisierte die Rede als Beschwichtigung. Rudd habe das grundlegende Problem des "kulturellen Völkermords" nicht angesprochen.

Beifall kam von den großen Kirchen Australiens. "Australien ist heute durch die Demut der Entschuldigung eine stärkere Nation geworden", sagte der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz, Erzbischof Philip Wilson. Der anglikanische Erzbischof von Melbourne, Philip Freier, sagte, die "Dunkelheit von Verdrängung und Vorurteilen ist dem Licht von Ehrlichkeit, Wahrheit und Mitgefühl gewichen". Sowohl die katholische als auch die anglikanische Kirche hatten sich bereits 1998 für ihre Mitwirkung bei der Zwangswegnahme von Kindern bei den australischen Ureinwohnern entschuldigt.

"Auch den zweiten Schritt machen"
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat den Premierminister Australiens Kevin Rudd am Mittwoch aufgefordert, nach seiner historischen Entschuldigung bei den Aborigines, seinen Worten nun auch Taten folgen zu lassen. "Mit dieser Geste hat der Premierminister gezeigt, dass es ihm mit einem Neuanfang der Beziehungen zu den etwa 450.000 Aboriginal People ernst ist", meinte Yvonne Bangert, Mitarbeiterin im GfbV-Referat für indigene Völker. "Deshalb hoffen wir, dass er nun auch den zweiten Schritt machen und dafür sorgen wird, dass die noch lebenden Angehörigen der "Stolen Generation" für das ihnen zugefügte Leid auch finanziell entschädigt werden." Die Regierung Rudd hat die Forderung nach einer allgemeinen Entschädigung der Angehörigen der Stolen Generation abgelehnt und die Betroffenen an die Gerichte verwiesen. Doch gerade für die Älteren unter ihnen könnte der Rechtsweg viel zu lange dauern.