Eine Trauerrednerin berichtet von ihren Erfahrungen

Austausch über den Tod bei Kaffee und Kuchen

Der Tod ihrer Eltern verändert das Leben der Journalistin Louise Brown. Sie wird Trauerrednerin. In einem Buch berichtet sie von ihren Erfahrungen und von Kaffeekränzchen, bei denen es um den Tod geht.

Autor/in:
Michael Althaus
Trauernde auf einem Friedhof / © Rawpixel.com (shutterstock)
Trauernde auf einem Friedhof / © Rawpixel.com ( shutterstock )

Ihre erste Begegnung mit dem Tod ist für Louise Brown aus heutiger Sicht die größte Lehre in ihrem bisherigen Leben. "Bis zu meinem sechsunddreißigsten Lebensjahr war ich jeglicher emotionaler Konfrontation mit dem Tod entkommen", so die Mittvierzigerin in ihrem kürzlich erschienen Buch. Als dann ihre Eltern beide kurz nacheinander starben, sei er wie ein Meteorit in ihr Leben eingeschlagen. "Ich, die vermeintlich erfahrene und mutige Journalistin, die einen Terrorstaat bereist hatte und in einem britischen Militärflugzeug ans andere Ende der Welt geflogen war, verharrte nach dem Anblick meiner verstorbenen Mutter wie betäubt auf dem Krankenhausflur."

Der Verlust ihrer Eltern stürzte die gebürtige Engländerin in eine persönliche Krise, und sie begann, sich mit den Themen Tod und Abschied intensiver auseinanderzusetzen. Ein Bestatter legte ihr nahe, Trauerrednerin zu werden. Die Idee ließ sie nicht mehr los. Inzwischen hat die Wahl-Hamburgerin auf zahlreichen Beerdigungen gesprochen und trauernden Angehörigen in schweren Stunden beigestanden. In dem Buch unter dem Titel "Was bleibt, wenn wir sterben" berichtet sie von ihren Erfahrungen.

Mit feinfühligem Humor Trauer ertragen

So erzählte sie etwa auf der Trauerfeier einer Dame, wie diese mit 94 Jahren ihren Rollator spontan auf dem Bürgersteig stehen ließ, um den Tretroller eines fremden Mannes auszuprobieren - und zauberte damit ein Schmunzeln auf die Lippen der Trauergäste. Bei der Beerdigung einer Frau namens Hilde, die das Autofahren liebte, rief sie in ihrer Rede in Erinnerung, wie die bereits gebrechliche Hilde zur Feier ihres 100. Geburtstags noch einmal selbst fuhr - im Wagen eines Fahrlehrers. "Es sind Erfahrungen wie diese, die mir zum ersten Mal bewusst machen, dass Trauer nicht nur aus Traurigkeit besteht", schreibt Brown. Humor könne helfen, dunkle Stunden zu ertragen.

Brown widmet sich in ihrem mit feinfühligem Humor verfassten Buch unter anderem den Fragen, wie man das Andenken an die Gestorbenen bewahren, was man trauernden Menschen sagen und wie man den eigenen Abschied vorbereiten kann. Immer wieder erzählt sie, wie sie mit dem Tod ihrer eigenen Eltern umging und wie er sie bis heute beschäftigt. "Erst die Erfahrung mit dem Tod meiner Eltern hat mir die Kraft geschenkt, die Trauer von anderen anzunehmen und auszuhalten."

Positiver Umgang mit dem Tod

Brown warnt davor, den Tod zu verteufeln oder Angst vor ihm zu haben. Die Bewohner der Insel Bali etwa feierten ihn nicht als Ende, sondern als Neubeginn für die Seele. Es könne helfen, den Tod ein Stück weit willkommen zu heißen - "wenn nicht als Freund, dann wenigstens nicht als Feind, den es zu besiegen gilt".

Als positives Beispiel nennt sie einen Mann namens Ingo, bei dem nach einem Alkoholentzug Krebs festgestellt wurde und der schließlich im Hospiz starb. Er habe bis zum Schluss an einer positiven Lebenshaltung festgehalten, und sein Händedruck sei kräftig geblieben. "Als Trauerrednerin bin ich vielen Menschen begegnet, die ihrem Tod mit einer für mich erstaunlichen Ruhe begegnet sind."

Lernen, über den Tod zu sprechen

Brown wirbt für einen offenen Umgang mit Tod und Trauer. "So wie wir als Heranwachsende lernen müssen, über Sex zu reden, müssen wir auch lernen, uns über den Tod zu unterhalten." Die Möglichkeit dazu eröffnete sie selbst bei sogenannten Death Cafes, bei denen sich fremde Menschen bei Kaffe und Kuchen ungezwungen über den Tod austauschen können. Die Idee geht zurück auf den britischen Ingenieur Jon Underwood und ist inzwischen in mehr als 50 Ländern verbreitet.

Brown veranstaltete solche Treffen erstmals auch in ihrer Heimatstadt Hamburg. "Es wird an den Abenden wenig geweint und häufig gelacht. Es wird selten geschwiegen, und wenn, dann ist das Schweigen mit Gedanken oder Erinnerungen gefüllt wie die Stille nach einem Musikstück", schildert sie ihre Erfahrungen. Kein Thema könne das Eis zwischen Fremden besser brechen als das Sterben. "An diesen Abenden wurde mir klar, dass die Worte über den Tod und das Sterben vorhanden sind, nur scheinbar nicht die Räume, in denen Menschen sie äußern können."


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema