Ausstellung zum "Triptychon in der Moderne"

Zwischen Bildgewalt und Sehnsucht nach Vollkommenheit

Blutrot und opulent in Öl getränkt schreien in einem Kunstwerk aus den 60er-Jahren verzerrt dargestellte Menschen nach Hilfe. Fast feierlich dagegen wirken die kleineren, anmutigen christlichen Bildgemälde aus dem 15. Jahrhundert. Die Kontraste im Ausdruck sind scharf, doch eines ist den Bildern gleich: Es sind dreiteilige Gemälde, Triptychon genannt. Wie sehr das Triptychon die Kunst beeinflusst, zeigt von Samstag an die Ausstellung "Drei. Das Triptychon in der Moderne" im Stuttgarter Kunstmuseum.

Autor/in:
Ralf Schick
 (DR)

Es ist eine eigenartige Gegenüberstellung von gegenständlicher und nicht gegenständlicher Kunst des 20. Jahrhunderts im Stuttgarter Kunstmuseum. Sie zeigt - nach einer Ausstellung vor Jahren in Paris erstmals wieder - eine umfassende Werkschau vor allem mit Bildern von Otto Dix, Max Beckmann, Gerhard Richter oder auch Niki de Saint Phalle. Und sie zeigt, wie sich die Kunst über Jahrhunderte hinweg immer wieder einer Tradition bedient hat.

Seit dem Mittelalter ist das Triptychon in der abendländischen Kunst als Altar- und Andachtsbild von zentraler Bedeutung. Die Kunstwissenschaft nennt ein dreiteiliges Bild "Triptychon", gleich ob es ein Bilderzyklus oder Bilderfries ist, wenn das Mittelbild der Ausgangspunkt für die komplette Szenerie ist. Die Lesart eines Triptychons geht nie von links nach rechts oder umgekehrt. Die Seitentafeln stehen im Dienst der Mitteltafel und haben eine Echo- oder Kommentarfunktion.

Seine herausgehobene Stellung im Kirchenraum verbunden mit dem christlichen Bildprogramm hat das Triptychon immer zu einem bildnerischen Sonderfall gemacht. Damit verbinden sich "Bedeutung, Spiritualität, Würde und Pathos", sagt Kunstmuseum-Direktorin Marion Ackermann. Die Geschichte des Triptychons reicht weit zurück. Gestalt und Funktion erhielt es als Altarbild mit festen oder aufklappbaren Seitenflügeln.

Die Motive sind mal schockierend oder erschütternd
Die zentrale Rolle, die Triptychen in den Werken von modernen Klassikern wie in Max Beckmanns "Argonauten" oder "Three Studies of George Dyer" von Francis Bacon spielen, unterstreicht einerseits die Attraktivität, aber auch die pathetische Ausdruckskraft in der scheinbar ewig jungen Gattung. Auch viele Künstler des 21. Jahrhunderts wie Damien Hirst oder Robert Longo setzen diese jahrhundertealte Tradition fort.

Die Motive sind mal schockierend oder erschütternd, wenn es etwa um die Verarbeitung der nationalsozialistischen Zeit geht. Oder ins Groteske verzerrt und, wie bei dem früheren DDR-Maler Willi Sitte und seinem Bild "Höllensturz in Vietnam", das blutrot den US-amerikanischen Krieg in den 60er-Jahren zeigt. Außer vielen internationalen Leihgaben aus Tokio, New York, London oder Paris zeigt die Schau auch das "Großstadt"-Triptychon von Otto Dix aus seiner eigenen Sammlung.

Immer wieder haben Künstler auf dieses Bildformat zurückgegriffen, wenn es um große politische oder private Erschütterungen geht, um Ausnahmezustände, um existenzielle Grenzsituationen. Triptychen haben für Künstler immer ein Sonderformat dargestellt, das von den übrigen Entwicklungen der Kunst gleichsam ausgeklammert blieb.

Ausdrucksform für die Sehnsucht nach Vollkommenheit
Manchen war das Triptychon eine Ausdrucksform für die Sehnsucht nach Vollkommenheit, für andere wie den abstrakten Maler Yves Klein eine ideale Formel für das Immaterielle. Triptychen wollen, sagt Marion Ackermann, Bedeutung schaffen, leben von Sinn und Mehrsinn. Es geht immer, ausgehend von der christlichen Kunst des Mittelalters, um die großen Themen, um Leben und Tod, um Überwältigung und Erschütterung.

Die Ausstellung "Drei. Das Triptychon in der Moderne" ist zu sehen von 7. Februar bis 14. Juni im Kunstmuseum Stuttgart. Geöffnet dienstags und donnerstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs und freitags von 10 bis 21 Uhr, montags geschlossen. Bis auf Karfreitag ist das Museum an allen Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet.