Aussage zu Kindesmissbrauch löst Empörung aus

Eklat um polnischen Erzbischof

Fassungslos und empört reagieren Polens Katholiken auf eine Äußerung des Vorsitzenden der Bischofskonferenz zu sexuellem Missbrauch von Kindern. Der Vorwurf: Erzbischof Jozef Michalik verharmlose Missbrauchsfälle und schiebe den Opfern eine Mitschuld zu.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

"Franziskus, mach dich an die Arbeit", schrieb ein aufgebrachter Bürger am Mittwoch auf der Webseite "gazeta.pl". Michalik hatte am Dienstag zu Beginn der Bischofsvollversammlung vor Journalisten kaputte Beziehungen zwischen den Eltern dafür mitverantwortlich gemacht, dass deren Kinder Opfer sexueller Gewalt würden. Solch ein Kind suche Liebe, sagte er: "Es lehnt sich an, es sucht. Und es verliert sich selbst und zieht noch einen anderen Menschen da hinein." Es hätten Missbrauchsfälle vermieden werden können, wenn es mehr bei den Eltern intakte Partnerschaften gäbe.

Am Abend nahm der Erzbischof die Äußerungen bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz zurück. "Ich entschuldige mich für das Missverständnis", so Michalik. Ihm sei ein "offensichtlicher Irrtum" unterlaufen, der korrigiert werden müsse. "Ein Kind ist unschuldig und darf nicht zum Opfer werden." Verantwortlich für die Missbrauchsfälle seien allein die Täter. Der Pressesprecher der Bischofskonferenz, Jozef Kloch, sprach von einem "sprachlichen Lapsus". Klar sei, es gebe in der Kirche "null Toleranz für Missbrauch".

Trotzdem erntet Michalik für polnische Maßstäbe beispiellos scharfe Kritik. Der Chefredakteur der liberalen katholischen Wochenzeitung "Tygodnik Powszechny", Piotr Mucharski, sieht in dem Statement des Erzbischofs einen "Skandal". Michalik habe mit seiner Aussage wichtige Initiativen von Kirchenvertretern gegen Kindesmissbrauch "zunichte gemacht". Der Chefredakteur des katholischen Monatsmagazins "Wiez", Zbigniew Nosowski, betonte, es gebe "keine Rechtfertigung" für Michaliks Worte. "Die spontane Äußerung zeige, dass der Erzbischof "nichts über Kindesmissbrauch weiß".

Auch der Vorsitzende der oppositionellen Sozialdemokraten und frühere Ministerpräsident Leszek Miller fand am Mittwoch in einem Radiointerview harte Worte. Michalik habe gezeigt, dass er sich nicht um Papst Franziskus schere. Die Worte des Erzbischofs seien "sehr skandalös".

Bei den Opfern entschuldigt

Polens Bischöfe wollten am Mittwoch bei ihrer Vollversammlung in Warschau über den Umgang mit Missbrauchsfällen beraten. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Weihbischof Wojciech Polak, und Militärbischof Jozef Guzdek hatten sich kürzlich öffentlich bei den Opfern entschuldigt.

Guzdek hatte am Sonntag die frühere Pfarrei eines Militärgeistlichen in Legionowo bei Warschau besucht. Der Geistliche sitzt wegen mutmaßlicher Vergewaltigung von Mädchen und Anstiftung zur Abtreibung in Untersuchungshaft. Angesichts der "Sünde des Kaplans" wolle er bei der dortigen Kirchengemeinde sein und sie im Glauben festigen, sagte Guzdek in einem Gottesdienst. Der Militärbischof fand vergangene Woche auch die bislang klarsten und demütigsten Worte eines Diözesanbischofs im Skandal um Missbrauchsfälle: "Ich bedauere das Geschehene persönlich sehr und entschuldige mich bei allen Geschädigten." Zudem beantragte Guzdek beim Vatikan die Versetzung des Priesters in den Laienstand.

Die öffentliche Debatte über Kindesmissbrauch durch Priester hatte Anfang September der Fall des aus Polen stammenden Vatikanbotschafters in der Dominikanischen Republik, Erzbischof Jozef Wesolowski, entfacht. Er wurde vom Vatikan wegen Missbrauchsvorwürfen seines Amtes enthoben. Zudem wurde ein polnischer Ordensmann, der ebenfalls im Verdacht steht, in dem Karibikstaat Minderjährige missbraucht zu haben, polizeilich gesucht und vergangene Woche in seiner Heimat aufgespürt.

Polens Kirche will Missbrauchsfälle künftig durch spezielle Schulungen von Geistlichen und Mitarbeitern der Kirche vorbeugen. An dem Programm sind auch die Päpstliche Universität Gregoriana in Rom und die Kinderpsychologie der Universitätsklinik Ulm beteiligt. Doch das Projekt gerät derzeit im Eklat um Michaliks Aussage fast in Vergessenheit.


Quelle:
KNA