Andrea Riedle beginnt als Chefin der "Topographie des Terrors"

"Ausgewiesene Expertin in Gedenkstättenarbeit"

Die Massenverbrechen der Nationalsozialisten wurden von Berlin aus gesteuert. Am Ort ihrer Zentrale bilanziert heute die Dokumentationsstätte "Topographie des Terrors" die Untaten - seit Beginn des Jahres unter neuer Leitung.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
Sonderausstellung im Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" / © Monika Skolimowska (dpa)
Sonderausstellung im Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" / © Monika Skolimowska ( dpa )

Seit langem ist die Berliner "Topographie des Terrors" ein Besuchermagnet. Über 1,3 Millionen Besucher zählte die Dokumentationsstätte auf dem Gelände der früheren Terrorzentrale der Nationalsozialisten allein im vergangenen Jahr. Maßgeblichen Anteil daran hatte Andreas Nachama. Er leitete und prägte die Dauerausstellung seit 1987, in den vergangenen 25 Jahren auch als Direktor der Topographie-Stiftung. Ende November ging er in den Ruhestand.

Andrea Riedle übernimmt

Seit dem 1. Januar folgt ihm die Historikerin und Politikwissenschaftlerin Andrea Riedle (47) nach. Als wissenschaftliche Abteilungsleiterin und stellvertretende Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau erwarb sie einschlägige Erfahrungen, die ihr auch in ihrem neuen Aufgabenbereich zugutekommen werden.

Riedle stammt aus Plochingen (Baden-Württemberg). Sie studierte Neuere Geschichte und Politikwissenschaft in Tübingen und Exeter (Großbritannien). An der Freien Universität Berlin erwarb sie den Doktortitel mit einer Dissertation zum Thema "Die Angehörigen des Kommandanturstabs im KZ Sachsenhausen. Sozialstruktur, Dienstwege und biografische Studien". Von 2009 bis 2011 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der "Ständigen Konferenz der Leiter der NS-Gedenkstätten im Berliner Raum" tätig, bevor sie 2012 nach Dachau wechselte.

Bei den beiden Trägern der Topographie-Stiftung, dem Bund und dem Land Berlin, hat Riedle offenbar gute Karten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigt sie als "ausgewiesene Expertin in der Gedenkstättenarbeit". Die Bundeskulturbeauftragte wertet die Berufung einer Frau auch als wichtiges Signal über die Gedenkstättenlandschaft hinaus. Der Berliner Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert (Linke) lobt Riedle als gut vernetzte Historikerin und fachlich versierte Wissenschaftlerin. Sie habe gezeigt, dass sie komplexe historische Themen in Dauer- und Sonderausstellungen publikumswirksam aufbereiten könne.

Stadt mit wechselvoller Geschichte

Das wird Riedle nun an einem Ort unter Beweis stellen können, der in Berlin wie kaum ein anderer mit dem NS-Regime verbunden ist und nach dessen Ende eine wechselvolle Geschichte hatte. Das Topographie-Gelände liegt im Stadtzentrum, nur wenige Hundert Meter südlich des Hochhaus-Ensembles am Potsdamer Platz.

Gegenüber dem Bundesfinanzministerium, dem früheren NS-Luftfahrtministerium, befanden sich Zentralstellen von SS, Gestapo und weiteren Organisationen des Regimes. In den Kellergefängniszellen, die heute wieder sichtbar sind, wurden politische Häftlinge verhört und gefoltert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die teilweise noch erhaltenen Bauten abgerissen, das Areal planiert und einer Bauschuttverwertungsfirma überlassen worden. Die Berliner Mauer unmittelbar am Rande des Geländes trug dazu bei, dass dessen Geschichte immer mehr verdrängt werden konnte.

Der erste Anlauf für ein Dokumentationszentrum vonseiten des Senats kam Anfang der 1980er-Jahre, nachdem eine Bürgerinitiative die Geschichte des Ortes wieder in Erinnerung gerufen hatte. Die Landesregierung lobte einen Wettbewerb zur Gestaltung des Geländes aus, der prämierte Entwurf wurde aber nicht verwirklicht. An seiner Stelle entstand 1987 im Rahmen der 750-Jahr-Feier Berlins eine provisorische Ausstellungshalle mit Informationen zu den freigelegten Gebäuderesten. Die historischen Kellerfundamente sind ebenfalls in den Ausstellungsrundgang einbezogen.

Rund zehn Jahre später startete der Senat einen neuen Wettbewerb. Prämiert wurde das ambitionierte Konzept des Schweizer Architekten Peter Zumthor. Nachdem der Kostenrahmen von damals 38 Millionen Euro nicht einzuhalten war, wurde der schon begonnene Bau abgerissen. Ein weiterer Anlauf wurde genommen und neuer Bauherr auf Bitten des Landes Berlins der Bund. Nach dem Entwurf des Berliner Architektenbüros Heinle, Wischer und Partner entstand ein kubischer Bau, der 22 Millionen Euro kostete und die historische Stätte bewusst nicht dominiert. Umso wichtiger wird es für die neue Direktorin, die Dokumentationsstätte durch prägnante Ausstellungen zu profilieren.


Andrea Riedle / © Andrea Riedle (dpa)
Andrea Riedle / © Andrea Riedle ( dpa )
Quelle:
KNA