Vor Ostern mehren sich Rufe nach Zulassung von Gottesdiensten

Aus Sorge um die Seelsorge und den kirchlichen Markenkern

In Berlin stemmen sich Christen gegen das Gottesdienstverbot in Corona-Zeiten. Ein evangelischer Publizist sieht durch die Bestimmung den Markenkern der Kirche bedroht. Gerichte entscheiden, Experten beschwichtigen.

Autor/in:
Joachim Heinz
Leere Kirchenbänke / © Franziska Kraufmann (dpa)
Leere Kirchenbänke / © Franziska Kraufmann ( dpa )

So viel Gottesdienst war selten. Und das, obwohl die deutschen Behörden im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus Menschenansammlungen jeder Art unterbinden. Stattdessen ist eine Debatte darüber entbrannt, ob Messfeiern zumindest in begrenztem Umfang von diesen Sanktionen ausgenommen werden können. In diesen Tagen feiern die rund 44 Millionen Katholiken und Protestanten in Deutschland das höchste Fest im Christentum. Zu Ostern erinnern sie an den Tod und die Auferstehung Jesu.

Als einer der ersten meldete sich der evangelische Theologe und Bestsellerautor Peter Hahne zu Wort. Ohne Gottesdienste mit physischer Präsenz der Gläubigen sehe er den "Markenkern" von Kirche bedroht, sagte er: Eine Öffnung lasse sich mit einfachen Mitteln sicher gestalten - mit "Abstand statt Leerstand" wie etwa im Supermarkt.

Experten halten Gottesdienstverbote für notwendig

Zyniker könnten hinzufügen, dass bei vielen "normalen" Gottesdiensten aufgrund der geringen Teilnehmerzahlen ohnehin größtmöglicher Abstand gewahrt bleibt. Aber an Ostern sind die Kirchen oftmals ähnlich voll wie sonst nur an Weihnachten. Deswegen gehen Experten wie der Virologe und Vorsitzende der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut, Thomas Mertens, lieber gleich auf Nummer Sicher: "Vollständig lassen sich Infektionen in diesem Bereich nur ausschließen, wenn Gottesdienste nicht stattfinden."

Es bleibt die von Hahne aufgeworfene Frage der Verhältnismäßigkeit. Warum gilt in Supermärkten mit Einlasskontrollen und Abstandsregeln etwas als praktikabel, was in Gottesdiensten nicht möglich scheint? Staatlich verordnete Beschränkungen der Religionsfreiheit stellen zudem massive Einschnitte in die Grundrechte jedes einzelnen Bürgers dar. Das haben Juristen wie der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber schon zu Beginn der Corona-Krise zu bedenken gegeben.

Pauschales Verbot "sehr problematisch"

Hillgrubers Kollege Horst Dreier sagte jetzt, ein pauschales Verbot von Gottesdiensten halte er für "sehr problematisch". Gerade in diesen Zeiten sehnten sich viele Menschen nach seelischer Erbauung und geistlichem Zuspruch. "Online-Gottesdienste sind kein wirklicher Ersatz." Ähnlich argumentieren jene Christen, die auf juristischem Wege versuchen, eine Lockerung des Verbots noch für die Ostertage zu erwirken.

In Berlin scheiterte das "Institut Philipp Neri" mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht, will aber in der nächsthöheren Instanz Beschwerde einlegen. Die Verantwortlichen und deren rund 300 Personen zählender Unterstützerkreis wehren sich gegen eine von ihnen so empfundene Obrigkeitshörigkeit vieler Kirchenvertreter. Es brauche stattdessen eine Spannung zwischen Staat und Kirche, argumentiert die traditionalistische Gemeinschaft. Und deswegen hielt Instituts-Leiter Gerald Goesche auch bis zuletzt und trotz der Ansteckungsgefahr an der Mundkommunion fest, bei der die Hostie den Empfängern auf die Zunge gelegt wird.

Rufe eher von Einzelnen und Kleingruppen

Peter Hahne, das "Institut Philipp Neri" oder der Katholik, der bis vor den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zog: Im bisherigen Verlauf der Debatte fällt auf, dass die Rufe nach einer Lockerung des Gottesdienstverbots eher von Einzelnen oder Kleingruppen kamen.

Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) stellte sich deren Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm klar hinter die geltenden Regelungen: Die Rettung von Menschenleben müsse stets der "leitende Gesichtspunkt" sein.

"Gut begründeter Rahmen"

Unter den katholischen Bischöfen scheint ebenfalls Einmütigkeit zu herrschen. "Uns ist ein sehr gut begründeter Rahmen gesetzt, um Leben zu schützen; da haben wir als Bischöfe keine Veranlassung gesehen, diesen Anordnungen nicht zu folgen", sagte etwa der Münchner Kardinal Reinhard Marx im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Und sein Kölner Amtsbruder Rainer Maria Woelki warnte vor Verstößen gegen die Auflagen. Denn dann könnten die kommunalen Verantwortlichen die jetzt noch für Andacht und Gebet geöffneten Gotteshäuser ganz schließen.

"Verkündung der Botschaft im Internet funktioniert"

Es ist sicher Zufall, dass die Diskussion etwa zeitgleich mit der Nachricht an Fahrt aufnimmt, dass im Nachbarland Österreich das öffentliche Leben mit vorsichtigen Schritten wieder hochgefahren werden soll. Ob es möglicherweise drängendere Probleme als die Wiederzulassung von Messfeiern gibt, steht auf einem anderen Blatt.

Der, an den Christen zu Ostern erinnern, gab seinen Jüngern eine Corona-taugliche Losung mit auf den Weg: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Und die Botschaft Jesu zu verkünden, so die Beobachtung von Kardinal Marx in diesen Tagen, funktioniere auch im Internet erstaunlich gut.


Quelle:
KNA