Aufwühlender "Polizeiruf 110" aus Oberbayern

Nachdenken über Schuld und Vergebung

Als dunkles Heimatstück präsentiert sich die dritte Folge des bayerischen "Polizeiruf 110" mit Matthias Brandt als Kommissar Hanns von Meuffels. Der unterkühlte Bremer erkundet auf dem oberbayrischen Land einen abgrundtiefen Dschungel aus Missgunst, Verdächtigungen und überkommenen Strukturen.

Autor/in:
Monika Herrmann-Schiel
 (DR)

Durch das unüberlegte und voreilige Handeln seiner Assistentin Anna Burnhauser wird von Meuffels in das düstere Geschehen hineingezogen. Empört darüber, dass ihre Schwester Xaver Edlinger heiraten möchte, nimmt Anna die Ermittlungen in einem ungelösten Fall wieder auf. Xaver, ihr Schwager in spe, wurde vor zwölf Jahren beschuldigt, seinen Freund "Doni" erschlagen zu haben. Doch er wurde freigesprochen. Im Heimatdorf aber sind fast alle überzeugt davon, dass Xaver der Täter gewesen ist.



Ohne Rücksprache mit von Meuffels zu halten, erteilt Anna den Auftrag, die Tatwaffe - eine Bierfalsche - auf DNA-Spuren zu untersuchen. Tatsächlich werden im Inneren des Flaschenhalses Speichelreste von Xaver entdeckt. Eigenmächtig verhaftet sie Xaver während der Verlobungsfeier und bringt ihn nach München ins Präsidium. Von Meuffels und der zuständige Richter halten Anna eine Standpauke und setzten Xaver wieder auf freien Fuß. Denn es ist ungesetzlich, einen Freigesprochenen wegen der gleichen Sache wieder zu verfolgen, es sei denn, er legt ein Geständnis ab oder ein Zeuge wird des Meineids überführt.



Der Ärger, den Anna jetzt hat, ist nichts gegen die verhängnisvolle Entwicklung, die sie in ihrem Heimatdorf in Gang gesetzt hat. Die aufgebrachten Bauern wollen die Sache selbst klären. Sie sind entschlossen, Lynchjustiz zu üben. Von Meuffels, der von Xavers Schuld überzeugt ist, beschließt, mit ihm über Nacht im Dorf zu bleiben. Auch wenn es ihm noch immer schwerfällt, den bayerischen Dialekt zu verstehen, schickt er Anna nach München zurück. Dort soll sie einige Fakten klären. Was ist am Tag, an dem der Seiler "Doni" erschlagen wurde, wirklich geschehen?



Die vermeintlich heile Fassade

Wie alle großen Dramen eröffnet dieser Film Einblicke in die Abgründe hinter einer vermeintlich heilen Fassade. Gekonnt spielt Regisseur Hans Steinbichler, der 2003 mit seinem Debütfilm "Hierankl" schon einmal ein großes Heimatdrama vorgelegt hat, mit den traumhaften Bildern, die die oberbayerische Landschaft liefert. Schwer liegen die schwarzen Schatten unter dem Licht der aufgehenden Morgensonne. Der neue Morgen scheint für die in die Irre gelaufenen Menschen keine Hoffnung mehr bereit zu halten. Es ist beängstigend, wie der Mob sich vor Xavers Haus zusammenrottet.



Als Zuschauer mag man kaum glauben, dass sich Menschen heute noch so verhalten. Doch wer das sagt, sei daran erinnert, was sich vor wenigen Wochen vor einer Polizeistation in Emden zugetragen hat. Dort wollte eine Menschenmenge einen 17-Jährigen lynchen, der fälschlicherweise des Mordes an einem Mädchen beschuldigt worden war.



Hans Steinbichler und Stefan Kolditz ist mit einem glänzenden Schauspieler-Team ein ganz großes Fernsehstück gelungen, das spannend ist, aufwühlt und zum Nachdenken über Schuld und Vergebung anregt.



Zu sehen ist dieser bemerkenswerte Krimi, der zugleich berührt und verstört, am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.