Aufregung wegen eines Oratoriums mit einer gesungenen Koran-Sure in der Kirche

Koranverse unterm Kreuz

Das Oratorium "Dona nobis pacem", das am Samstag in der Ludwigsburger Friedenskirche uraufgeführt wurde, will sich für Frieden einsetzen. Doch es hat für Zwist gesorgt, weil darin auch Koranverse vorgetragen werden.

Autor/in:
Judith Kubitscheck
 (DR)

Polizeibeamte und eine kleine Gruppe von Demonstranten stehen am Eingang der Ludwigsburger Friedenskirche. "Ich bin gegen Allah in unserer christlichen Kirche" steht auf einem der Schilder. Wer zum Konzert des Oratoriums "Dona nobis pacem" will, muss an ihnen vorbei - und an Türstehern, die darauf achten, dass nur Besucher der Uraufführung in die Friedenskirche gehen.



Zweieinhalb Jahre schrieb der Komponist Tilman Heiland an dem "Oratorium für den Frieden", das in den baden-württembergischen Städten Ludwigsburg und Fellbach aufgeführt wird. Dass sein Werk für Furore sorgen wird, weil darin neben anderen religiösen Texten und Gedichten auch die erste Sure des Korans vorgetragen wird, hätte der Musiker nicht gedacht. "Genau das Gegenteil war meine Absicht." Mit seinem Werk für Solisten, Chor, Orchester und Orgel wolle er zeigen, dass es keinen Frieden auf der Welt ohne Frieden zwischen den Religionen gebe, betont Heiland.



Kampagne im Internet

In der Woche vor dem Konzert habe es eine "ziemlich üble Internetkampagne" gegeben. Dort wurde den Veranstaltern vorgeworfen, sie würden Kinder dazu zwingen, das islamische Glaubensbekenntnis öffentlich abzulegen, berichtet Tilman Heiland. Das sei aber "völlig falsch", denn er habe für sein Friedensoratorium bewusst nicht das Glaubenbekenntnis, sondern die erste Koransure gewählt. Einige Eltern hätten ihre Kinder aus dem Chor genommen, als sie erfuhren, dass dort Koranverse gesungen werden.



Die Friedenskirche ist bis auf den letzten Platz besetzt, mehrere Chöre stehen im Altarraum unter zwei großen Marmorkreuzen und einer riesigen goldenen Jesus-Figur. Glocken sind zu hören und Schläge, die an Gewehrschüsse erinnern. Ähnlich wie in Benjamin Brittens "War Requiem" will Heiland den Schrecken von Krieg und Unterdrückung darstellen, aber auch mit geistlichen Texten zeigen, dass es Hoffnung gibt. "Schma Jisrael, Adonai elohenu " Der Chor singt wie mit einer Stimme das jüdische Glaubensbekenntnis. Ein hinduistisches Mantra folgt, danach noch einmal das "Schma Jisrael".



Plötzlich richten sich die Besucher in den Kirchenbänken gespannt auf. Ein Trommelwirbel, die Orgel setzt ein. "Bismi-llahi-rahmani-rahim" - "Im Namen Gottes des barmherzigen und gnädigen Gottes " singen Kinder mit klaren Stimmen von der Empore. Wenige Minuten zuvor haben die Schüler noch die Dreieinigkeit Gottes russisch und den "lieben Herrn Jesus" ("Pie Jesus Domine") lateinisch besungen. Nun tragen sie arabisch den Beginn der ersten Sure des Korans vor, die sogenannte "al-Fatiha", die als fester Bestandteil zu den rituellen Gebeten der Muslime gehört.



Der Chor der Erwachsenen, der im Altarraum unter dem goldenen Jesus steht, setzt ein. "Maliki jaumi d-din " - die Musik wird immer lauter. Mit der Bitte "Führe uns den geraden Weg, nicht den Weg derer, die deinem Zorn verfallen und irregehen", endet die Koran-Sure. Ein Cello setzt ein, leise singt der Chor das lateinische Vaterunser.



Das "Amen" des Vaterunsers steht noch im Raum, schon singen die Kinder zum zweiten Mal das "Bismillah". Mehrmals wiederholt sich der Beginn der al-Fatiha und wird so wuchtig, dass selbst die Marmorsäulen der Kirche zu beben scheinen. Fulminante Schlussakkorde.

Nach einer kleinen Pause singt das Solistenquartett vom "Agneau de Dieu" - von Jesus als dem Lamm Gottes.



Positive Spannung

Dass das christliche Vaterunser zwischen Koranversen steht und direkt danach wieder das Lamm Gottes gepriesen wird, ist für den geschäftsführenden Pfarrer der Friedenskirche, Georg Schützler, kein Problem: Durch die theologischen Unterschiede zwischen Christentum und Islam entstehe eine positive Spannung, die Anlass für interreligiöse Diskussionen sein könne, sagt er. In der Friedenskirche habe interreligiöses Leben seinen Platz, keiner aus seiner Gemeinde hätte gegen das Oratorium protestiert.



Yassir Eric von der Arabisch-Evangelischen Gemeinde in Stuttgart gibt zu bedenken, dass die beiden letzten Verse der ersten Sure von den maßgeblichen klassischen Korankommentatoren so interpretiert werden, dass hier eine Abgrenzung von Juden und Christen enthalten sei. Von daher dränge sich die Frage auf, ob die Bezeichnung von Juden und Christen als "dem Zorn Verfallene" und "Irregehende" dem interreligiösen Frieden diene.



Mit einem Alleluja endet die Aufführung, die Menschen in der vollen Kirche applaudieren im Stehen. Die Kirche leert sich, zurück bleibt die goldene Jesus-Figur mit dem Kreuz in der Hand - und Tilman Heiland. Der atmet erleichtert auf. "Ich war sehr angespannt, weil ich nicht wusste, was noch alles passieren wird."