Auf Pilger- und Wanderschaft von Bayern nach Tschechien

Unterwegs auf den Spuren des heiligen Gunther

Wer eine kaum bekannte Pilgerstrecke sucht, könnte Gefallen finden am Gunthersteig. Vom bayerischen Niederalteich führt er über 160 Kilometer in neun Etappen bis ins tschechische Blatna.

Autor/in:
Andreas Drouve
Hinweisschild mit der Aufschrift "Gunthersteig - Naturpark" am 28. März 2023 zwischen Kirchberg und Rinchnach. / © Andreas Drouve (KNA)
Hinweisschild mit der Aufschrift "Gunthersteig - Naturpark" am 28. März 2023 zwischen Kirchberg und Rinchnach. / © Andreas Drouve ( KNA )

Erschöpft legen sie ihre Rucksäcke ab, lassen sich auf einer Holzbank nieder und die Stimmung in der Kirche Johannes des Täufers in Rinchnach auf sich wirken. Die Blicke von Petra Kroll (56) und Martin Schreiber (74) schweifen über pompöse Barockzier und Deckendekors aus Fresken. Die beiden sind auf dem Gunthersteig unterwegs. Gerade sind sie in Rinchnach angelangt, am Ende der zweiten Etappe.

Ein unbekannter Weg

Bis vor wenigen Monaten hatten sie nie etwas vom Gunthersteig gehört, räumen sie unisono ein. "Dann entdeckte ich in irgendeinem Bergmagazin einen Hinweis", so Schreiber, "denn wir suchen immer Wege, die wenig begangen sind." Da landete er beim Gunthersteig einen Volltreffer.

Einsiedler, Glaubensbote, Diplomat

Der Pilger- und Wanderweg zieht sich über 160 Kilometer von der Donauebene in Niederalteich bis ins Böhmische Becken nach Blatna, also von Bayern hinein nach Tschechien. Er folgt den Spuren des heiligen Gunther (um 955/985 bis 1045), der als Einsiedler, Glaubensbote, Diplomat und sogenannter Rodungsmönch Geschichte schrieb. Er war ein Pionier des Wegebaus im Bayern- und Böhmerwald, ebnete die weitere Besiedlung und die Anlage von Handelsrouten.

Offiziell kanonisiert worden ist Gunther nie. Er gilt als Volksheiliger. "Bereits zu Lebzeiten wird Gunther wegen seines enthaltsamen Lebenswandels und segensreichen Wirkens verehrt. Viele suchen seinen Rat und seine Fürsprache bei Gott auch über seinen Tod hinaus", heißt es im "Pilger- und Etappenführer Gunthersteig".

Neun Etappen, mittel schwierig

Pilger vor der Guntherkapelle, wo sich die letzte Einsiedelei des heiligen Gunther befand, nahe Dobra Voda (Tschechien) am 30. März 2023. / © Andreas Drouve (KNA)
Pilger vor der Guntherkapelle, wo sich die letzte Einsiedelei des heiligen Gunther befand, nahe Dobra Voda (Tschechien) am 30. März 2023. / © Andreas Drouve ( KNA )

Das 36-seitige Booklet ist vom Landkreis Regen herausgegeben worden und ideal zur Vorbereitung und Begleitung. Die Gesamtstrecke ist in neun Etappen zwischen 14 und 21 Kilometern unterteilt, kann also auch in einem Urlaub zurückgelegt werden. Der Schwierigkeitsgrad lautet fast durchgängig "mittel", bezogen auf Steigungen und Kondition; alpine Strecken oder Wege, die Schwindelfreiheit erfordern, gibt es nicht.

Einzig die Königsetappe von Zwiesel ins tschechische Prasily ist als "schwer" klassifiziert. Dafür bietet sie eine Abfolge an Highlights: den historischen Ortskern von Zwiesel, das Bauernhausmuseum von Lindberg, dazu wunderbare einsame Passagen im Bayer- und Böhmerwald sowie um den grünen Grenzübergang.

Geheimtipp 

An Etappenzielen wie Prasily finden sich Gasthäuser, die man nach Möglichkeit im Voraus buchen sollte. Pilgerherbergen wie am berühmten Jakobsweg gibt es nicht – dafür ist der Gunthersteig mit seinen wenig bekannten Pfaden noch ein Geheimtipp. Für Interessierte koordiniert Christina Fuchs von der Touristeninformation in Lalling ein Gesamtpaket: Unterkünfte mit Gepäcktransport auf den ersten fünf Etappen von Niederalteich bis hinter die Grenze nach Hartmanice. Diese fünf Tage sind zugleich die interessantesten und empfehlenswertesten Teile auf dem Gunthersteig.

Immer der Hacke nach

Die Saison dort geht von Mai bis Oktober. Der Weg ist gut beschildert, das begleitende Logo als Zeichen des "Rodungsmönchs" Gunther eine Hacke; in Tschechien kommt alternativ oder ergänzend ein stilisiertes "V" vor – als Abkürzung für "Vintir". So lautet der tschechische Name von Gunther. Kleine Holzanhänger mit den Symbolen sollen künftig als Andenken in den Touristeninformationen erhältlich sein.

Impulse für einige hundert Wanderer

Auf der deutschen Seite des Gunthersteigs stehen an diversen Punkten Impulstafeln, die von Petra Kroll und Martin Schreiber dankbar angenommen worden sind – obgleich sich das freundschaftlich verbundene Paar nicht aus spirituellen Gründen auf den Weg gemacht hat.

"Wir sind säkulare Weitwanderer, aber wenn es eine schöne Kirche gibt, gehen wir hinein", erklärt der pensionierte Softwareentwickler Schreiber. Kroll, Senior Managerin in Medizintechnik, stellt klar: "Ich sage nur, ich gehe wandern, nicht pilgern. Da kommt man auch runter, wenn man verlangsamt." Sie mutmaßt: "Die meisten Menschen wollen unterwegs nur zu sich selbst finden." Bislang sind laut einer Schätzung von Johann Wenzl, Mitarbeiter beim Landratsamt Regen, nur wenige Pilger oder Wanderer auf dem Gunthersteig unterwegs: einige hundert pro Jahr.

Heiliger Gunther

Um 985 (nach traditionellen, bis heute noch verbreiteteren Quellen bereits 955 oder gar 950): Geburt in Thüringen als Sohn der Grafenfamilie von Schwarzburg-Käfernburg

1005: Gunther entsagt dem weltlichen Leben, tritt in die Benediktinerabtei von Hersfeld (Hessen) ein und vermacht dem Stift seinen persönlichen Besitz.

1006: Gunther geht ins Benediktinerkloster von Niederalteich (Bayern); Wallfahrt nach Rom.

1007: Ordensgelübde; erste Reise an den ungarischen Königshof 

Wegweiser mit dem Logo mit einer Hacke auf dem Gunthersteig beim Grenzübergang zwischen Deutschland und Tschechien am 29. März 2023. / © Andreas Drouve/KNA (KNA)
Wegweiser mit dem Logo mit einer Hacke auf dem Gunthersteig beim Grenzübergang zwischen Deutschland und Tschechien am 29. März 2023. / © Andreas Drouve/KNA ( KNA )
Quelle:
KNA