Auf der Pirsch nach dem Giersch

Bestgehasst und höchst gesund

Wer ihn kennt, und vor allem, wer ihn in seinem Garten hat, der fürchtet seine unglaubliche Vitalität, sein Talent, jedes Rausrupfen zu überleben. Der Giersch ist das Monster-Unkraut schlechthin.

Giersch / © St.Q.
Giersch / © St.Q.

Der Giersch ist ein wahrer Künstler darin, sich zu widersetzen. Und das mit großer Energie und Raffinesse. Und genau das ist es, was so manchen Gärtner bis aufs Äußerste reizt, warum er den Giersch so hasst und warum er ebenso viel Energie und Raffinesse aufbietet, ihn los zu werden. Wehe der Giersch schiebt sich durch die Erdkrume! Sofort wird er mit Blatt und Stiel vernichtet.

Halb verborgen höchst aktiv

Wachsam muss er sein, der Gärtner, gründlich und schnell. Einfach nur dann und wann den Giersch oberflächlich abrupfen, führt allenfalls optisch zu kurzfristigen Erfolgen. Unter der Erde aber macht sich der Giersch dann erst richtig breit. Typisch ist das für „Hemikryptophyten“.

Der Name kommt aus dem Griechischen: Hemi bedeutet halb und kryptós bedeutet verborgen. Knapp unter der Oberfläche, also halb verborgen unter dem Schutz von Schnee, Laub und der obersten Humusschicht entwickelt die Pflanze lange Ausläufer mit oftmals mehr als zwölf Enden. Diese Enden sind sehr empfindlich und brechen sofort ab, sobald man sie heraus zu ziehen versucht.

Diese Brüchigkeit ist natürlich Absicht, darin steckt die ganze Gemeinheit des Giersch. Denn aus jedem Bruchstück bildet sich eine neue Pflanze. Der Samen spielt bei der Vermehrung kaum eine Rolle, unter der Erde verbreitet sich der Giersch. Und eben rasch und großflächig, Kolonie nennt das der Fachmann.

Gegen Giersch hilft kein chemisches Mittel und keine Folie, allenfalls vorsichtiges Graben. Geduldig muss man jeder Abzweigung der Wurzeln nachgehen, jedem kleinsten weißen Bruchstück. Ein Meter pro Stunde ist dabei ein gutes Tempo.

Giersch auf dem Speiseplan

Kein Wunder, dass der Giersch das bestgehasste Kraut in Deutschlands Gärten ist. Aber: es gibt auch die anderen Gärtner und Wildkräuterfans, die den Giersch, ja, zum Fressen gern haben. Die sich freuen, wenn die ersten Gierschblätter im Frühling austreiben. Sie gelten als „knackige Ergänzung im Frühlings- und Sommerspeiseplan.“

Der Geschmack des Giersch liegt zwischen dem von Möhre und Petersilie, ist aber nicht so „laut“ wie der anderer Wildkräuter. Seine Verwendung ist vielseitig: Im Salat, in Kräuterquark und Kräuterbutter, in grüner Soße oder Pesto bringt er neue Geschmackserlebnisse.

Ganz anders als die meisten anderen Wildkräuter kann man Giersch auch erhitzen. Er lässt sich klein gehackt zu einer spinatähnlichen Beilage verarbeiten. Oder in Bratlingen, Aufläufen oder Gemüsebrot verbacken. Und die getrockneten Blätter und Samen sind ein wunderbares Gewürz für Suppen und Soßen.

Reich an Vitaminen und Mineralien

Schon seit der Steinzeit steht der Giersch auf dem menschlichen Speiseplan. Im Mittelalter war er als Gemüse verbreitet, pflegeleicht ist er ja. Vor allem sollte er gegen das Zipperlein, die Gicht helfen. Sein lateinischer Name „Aegopodium podagraria“ bedeutet etwa „Gicht heilendes Ziegenfüßchen“. Das ist nicht unbedingt wissenschaftlich erwiesen, aber super gesund ist der Giersch:

Der Giersch enthält reichlich Vitamin C. Unser vitaminreichstes Gemüse, der Rosenkohl, hat nur halb so viel. Und die Zitrone bietet gerade mal ein Viertel davon. Auch bei den Mineralien ist der Giersch den Standardgemüsen weit überlegen: Der Giersch enthält 13 mal so viel Mineralien wie der Grünkohl. Besonders reich ist er an Eisen, Kalium, Calcium, Magnesium, Zink, Bor, Kupfer, Mangan, Titan und Kieselsäure.

Wer also sein Immunsystem stärken oder seinen Körper entschlacken und entgiften will, sollte sich am Giersch gütlich tun und ihn ständig pflücken. Und Achtung liebe Giersch-Hasser: Das ständige Pflücken mag er nicht so gern, das schwächt seine Vitalität. Womit quasi all die guten Rezepte mit Giersch zugleich auch ein Rezept sind gegen ihn.

(Claudia Vogelsang)