Auch Sinti und Roma verlassen Vertriebenen-Stiftung

Die Reihen lichten sich

Nach dem Zentralrat der Juden in Deutschland verlässt auch der Vertreter der Sinti und Roma die Vertriebenen-Stiftung. Als Grund für den Rückzug werden die «geschichtsverfälschenden Behauptungen» der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, zum Zweiten Weltkrieg, angegeben.

 (DR)

Silvio Peritore vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg werde seinen Sitz im wissenschaftlichen Beraterkreis der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" ruhen lassen, erklärte der Vorsitzende des Dokumentationszentrums, Romani Rose, am Freitag in Heidelberg. Die Bundesregierung gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Stiftung trotz der Debatten der vergangenen Tage ihre Arbeit in Ruhe fortsetze. Der Zentralrat der Juden schloss unterdessen eine Rückkehr in die Stiftung nicht aus.



Steinbach hatte am Mittwoch in der Fraktionsklausur von CDU und CSU Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) angegriffen. Sie warf ihm vor, sich nicht hinter die beiden Vertriebenenfunktionäre gestellt zu haben, die der BdV als Stellvertreter in den Rat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" entsandt hatte. Die beiden Vertreter, Hartmut Saenger und Arnold Tölg, stehen wegen revisionistischer Äußerungen in der Kritik. Schließlich erwähnte Steinbach die Mobilmachung Polens im März 1939 und löste damit einen Eklat aus.



Völkermord außer Zweifel

Es stehe außer Zweifel, dass der vom nationalsozialistischen Deutschland entfesselte Vernichtungskrieg mit dem Völkermord an 500.000 Sinti und Roma und sechs Millionen Juden wesentliche Ursache für die weiteren Entwicklungen in Europa nach 1945 war, so Rose.

Durch die Äußerungen Steinbachs werde der im Stiftungszweck vorgesehene Versöhnungscharakter besonders gegenüber den Völkern in Mitteleuropa in unverantwortlicher Weise konterkariert, erklärte Peritore.



Die Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" soll in Berlin eine Ausstellung und Dokumentationsstätte über das Schicksal der deutschen Vertriebenen am Ende des Zweiten Weltkriegs aufbauen.



Zentralrat der Juden erwägt Rückkehr

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Salomon Korn, sieht immer noch Chancen für eine Rückkehr seiner Organisation in die Stiftung. Wenn der BdV Saenger und Tölg zurückziehe, "warum sollten wir dann nicht wieder mitarbeiten", sagte Korn in NDR Info.



Zum Rückzug des Zentralrats der Juden aus der Stiftung erklärte Korn, er könne nicht mit Menschen zusammenarbeiten, die die Ursachen der Verbrechen im Zweiten Weltkrieg umkehren wollten. "Wenn der Zentralrat nichts unternommen hätte, hätte das wie eine Sanktionierung solcher Positionen aussehen können", führte Korn aus. Der Zentralrat der Juden hatte wegen der Berufung von Tölg und Saenger Anfang der Woche erklärt, seine Mitgliedschaft im Rat der Vertriebenen-Stiftung vorerst ruhen zu lassen und eventuell ganz aufzugeben.



In der Debatte um Steinbach betonte die Bundesregierung die Verantwortung Deutschlands für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als unumstößliche Tatsache. Die Frage der Kriegsschuld sei für immer geklärt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Bundesregierung hoffe, dass die Stiftung gute Arbeit leisten könne und nicht von außen negativ beeinflusst werde. Der Stiftungsrat wird vom Bundestag, nicht von der Bundesregierung eingesetzt. Daher sehe die Bundesregierung derzeit keinen Handlungsbedarf, sagte Seibert.