Auch die CDU entdeckt die "negative Einkommenssteuer"

Arbeit soll sich wieder lohnen

Mittelstands- und Arbeitsmarktpolitiker der Unions-Parteien haben sich aufgeschlossen gegenüber dem SPD-Vorschlag einer negativen Einkommenssteuer gezeigt. Auf der Klausurtagung der SPD am Wochenende in Bremen hatten sich die führenden SPD Politiker darauf geeinigt, das Konzept des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger unter dem Namen "Bonus für Arbeit" in das Grundsatzprogramm aufzunehmen.

 (DR)

Gering verdienende Vollzeitbeschäftigte sollen danach mit Steuergutschriften die Sozialversicherungsbeiträge erstattet bekommen. So soll ein deutlicher Abstand zu Hartz IV entstehen und der Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestärkt werden.

"Wir sind keine Gegner der negativen Einkommenssteuer. Die SPD muss nur erklären, wie sie das finanzieren will", sagte Michael Fuchs, Chef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) in der Unions-Fraktion, der "Financial Times Deutschland" (Montagausgabe). Der PKM vertritt etwa die Hälfte aller
Unions-Abgeordneten im Bundestag. "Der Vorschlag hat auf den ersten Blick durchaus Charme", sagte auch der CSU - Arbeitsmarktexperte Stefan Müller dem Blatt. "Das Geld für die negative Einkommensteuer darf auf keinen Fall aus der Arbeitslosenversicherung kommen", warnte Fuchs jedoch. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) müsse sagen, aus welchen Steuereinnahmen er die Steuergutschriften für Geringverdiener finanzieren wolle.

Der CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe warnt davor, wegen der Debatte um den SPD-Vorschlag einer negativen Einkommenssteuer für Niedriglohn-Bezieher andere arbeitsmarktpolitische Beschlüsse zu vertagen. Zwar sei die Union grundsätzlich bereit, über den Vorschlag der Sozialdemokraten zu diskutieren, sagte Brauksiepe der "Saarbrücker Zeitung" (Montagausgabe). Doch sei die Umsetzung und Gegenfinanzierung dieser neu eingebrachten Idee "hochkomplex" und lasse sich nicht in wenigen Wochen klären.

Kombilohnmodelle entscheidungsreif
Hingegen sei die von der CDU vorgeschlagene Einführung eines Kombilohns für ältere Arbeitslose "entscheidungsreif". Auch beim SPD-Vorschlag, einen "sozialen Arbeitsmarkt" für 100 000 schwer Vermittelbare zu schaffen, gebe es in der Koalitionsarbeitsgruppe zur Regelung des Niedriglohnsektors eine "hoffnungsvolle" Entwicklung. Hier könne man schon in wenigen Wochen zu einer Einigung kommen. Es soll sich laut Brauksiepe um staatliche Zuschüsse für niedrig bezahlte Tätigkeiten in Kommunen, bei Integrationsbetrieben und auch in der privaten Wirtschaft handeln. Einen solchen "dritten Arbeitsmarkt" hatten auch die Kirchen gefordert.

Brauksiepe zufolge ist eine Finanzierung sowohl des Kombilohns wie auch des "sozialen Arbeitsmarktes" aus nicht abgeflossenen Haushaltsmitteln zur Eingliederung schwer Vermittelbarer möglich. Im Titel zum Arbeitslosengeld II sei im letzten Jahr ein Milliarden-Betrag liegen geblieben.

Gewerkschaften für Mindestlohn statt Steuergutschrift
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat sich gegen die Einführung einer "negativen Einkommensteuer" ausgesprochen. Im Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau"
(Montagausgabe) reagierte ver.di-Chef Frank Bsirske damit auf SPD-Pläne, durch eine Steuergutschrift die Sozialversicherungsbeiträge für Geringverdiener zu senken.

Ziel sei es, dass die Abgabensenkung als Lohnsenkung beim Arbeitgeber ankomme. Das Ergebnis wäre "eine staatlich organisierte und subventionierte weitere Umverteilung zu Lasten der Löhne und zugunsten der Gewinne", sagte Bsirske der "Frankfurter Rundschau" (Montagausgabe). Die SPD solle sich besser für einen gesetzlichen Mindestlohn einsetzen.

Der Leiter des ver.di-Bereichs Wirtshaftspolitik, Michael Schlecht, nannte den Vorschlag "untauglich" zur Lösung der Probleme. Er ersetze den einen Kombilohn, der durch das Arbeitslosengeld II bereits vorhanden ist, durch einen anderen, erklärte Schlecht am Sonntagabend in Berlin. Musterrechungen zufolge brächte er für viele arbeitende Arbeitslosengeld-II-Bezieher Verschlechterungen: Weniger Einkommen oder für das gleiche Geld erheblich längere Arbeitszeiten.

Kreative Ideen zur Beschäftigung Langzeitarbeitsloser
Mehr Jobs für Langzeitarbeitslose fordert der Deutsche Caritasverband. Bisher sei es im Rahmen der Hartz-IV-Reformen nicht gelungen, diesen Menschen nach einer Bezugsphase von Arbeitslosengeld II (ALG II) genügend Anschlussjobs zu bieten, sagte Caritas-Präsident Peter den "Stuttgarter Nachrichten" (Montag). Es bringe nichts, auf sie Druck auszuüben, wenn keine Jobs vorhanden sind. Nach Worten Nehers gibt es Menschen, die im ersten Arbeitsmarkt auf Dauer keine Chance haben.

Der Caritas-Präsident verlangte mehr kreative Ideen, wie Langzeitarbeitslose angemessen beschäftigt werden könnten. Sorge bereite die Kluft zwischen denen, die Arbeit haben, und denen, die keine Arbeit haben. Viele Kinder und Jugendliche lebten bereits in dritter Generation von Sozialhilfe und ALG II. Es seien weitere Sozialreformen nötig, so Neher. Ohne neue Arbeitsplätze aber funktioniere das Doppelwort vom Fördern und Fordern nicht.

Diakonie begrüßt SPD-Konzept
Unterdessen begrüßte das Diakonische Werk der evangelischen Kirche die neue SPD-Initiative "Bonus für Arbeit". Das bei der Bremer SPD-Klausur am Wochenende vorgestellte Konzept will durch Steuerzuschüsse einen größeren Arbeitsanreiz für Geringverdiener schaffen. Niedriglöhner sollen bei den Sozialabgaben entlastet werden und vom Finanzamt zumindest einen Teil ihrer Sozialabgaben erstattet bekommen. Mit diesem Plan nähere sich die Politik "endlich der Lebenswirklichkeit der Menschen", erklärte die Diakonie dazu. Der Steuerzuschuss des Programms "Bonus für Arbeit" müsse aber so ausgestaltet sein, dass sich auch für Unternehmen Beschäftigungsanreize ergäben. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, es müsse nur die Motivation der Arbeitssuchenden erhöht werden, um freie Stellen mit Geringqualifizierten zu besetzen.