Asyl in Deutschland

Überfüllt, überlastet, überfordert

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland um Asyl bitten, steigt unaufhörlich. Behörden und Kommunen stellt das vor wachsende Probleme.

Syrischer Flüchtling in Asylunterkunft (dpa)
Syrischer Flüchtling in Asylunterkunft / ( dpa )

Jeden Monat kommen tausende Menschen in Deutschland an, die vor Kriegen, blutigen Konflikten, Armut, Unterdrückung fliehen. Gut 60 000 Menschen stellten allein in den ersten fünf Monaten des Jahres einen Asylantrag in Deutschland - rund 60 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2013. Mit 200 000 Anträgen insgesamt rechnet die Bundesregierung bis zum Jahresende. Das wären etwa sieben Mal so viel wie noch 2008. Die Folge: überlastete Behörden, überfüllte Asylbewerberheime und ratlose Kommunen, die nicht recht wissen, wie sie mit dem Zustrom fertig werden sollen. Leidtragende sind die Flüchtlinge.

Auf der Suche nach Schutz vor Gewalt

Die Zahl der Menschen, die in Deutschland um Asyl bitten, steigt unaufhörlich. Die Rekordzahl der 90er Jahre ist zwar noch weit weg: 1992 stellten mehr als 400 000 Menschen einen Asylantrag. Es folgte eine Kursänderung in der Asylpolitik. Danach gingen die Zahlen drastisch zurück, viele Flüchtlingsunterkünfte wurden geschlossen. Der Andrang nimmt aber seit einigen Jahren wieder rasant zu.

2008 zählten die Behörden noch rund 28 000 Asylanträge, 2012 waren es schon fast 78 000, ein Jahr später dann schon 127 000. Unter denen, die kommen, sind viele Syrer und Afghanen, die sich vor der Gewalt in ihrer Heimat in Sicherheit bringen. Andere kommen vom Balkan und aus Afrika.

"Die Menschen werden zermürbt"

Die Masse an Asylanträgen bearbeitet allesamt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Behörde ächzt unter den Aktenbergen. Die Personalnot dort war in den vergangenen Monaten so groß, dass Bundespolizisten und Bundeswehrleute als Aushilfskräfte anrücken mussten. Inzwischen hat die Regierung dem Amt 300 zusätzliche Stellen zugesagt, aber noch läuft das Bewerbungsverfahren dafür.

Die Asylverfahren ziehen sich daher sehr in die Länge. Derzeit dauert es im Schnitt sieben Monate bis zu einer Entscheidung, oft aber auch ein Jahr oder im schlechtesten Fall weit mehr als zwei Jahre.

Flüchtlingsorganisationen kritisieren, dass viele Asylbewerber derart lange ausharren müssen. "In der langen Wartephase werden die Menschen zermürbt", meint der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. Oft seien Flüchtlinge isoliert in abgelegenen Unterkünften untergebracht, ohne die Möglichkeit, zu arbeiten, Deutsch zu lernen, wirklich am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen oder sich frei in Deutschland zu bewegen.

Abschottungskurs beklagt

Die Bundesregierung will die Asylverfahren nun beschleunigen - durch die zusätzlichen Stellen beim Bundesamt und durch eine umstrittene Gesetzesänderung: Sie will die Balkan-Staaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als "sichere Herkunftsländer" einstufen, damit die Behörden Asylbewerber von dort direkt in ihre Heimat zurückschicken können. Flüchtlingsorganisationen halten das für verantwortungslos. Sie beklagen insgesamt einen zunehmenden Ausgrenzungs- und Abschottungskurs in der deutschen Asylpolitik.

Der wachsende Zustrom von Asylbewerbern treibt ganz besonders die Städte und Gemeinden um. Viele Wohnheime sind überfüllt. Einige Kommunen müssen Asylbewerber in Hotels, Zelten, Containern oder Turnhallen unterbringen, weil in den normalen Unterkünften kein Platz mehr ist. Die Situation sei dramatisch und der Druck nehme zu, heißt es beim Deutschen Städtetag. Dort fühlt man sich alleingelassen von den Ländern. Was die an Kosten für die Flüchtlingsunterbringung erstatteten, reiche nicht aus. Außerdem bräuchten die Kommunen Investitionshilfe für den Neubau von Unterkünften.

Rechtsextreme Übergriffe nehmen zu

Erschwert wird die Lage in den Städten und Gemeinden dadurch, dass viele Flüchtlinge krank oder traumatisiert in Deutschland ankommen - Menschen mit geschundenen Körpern und Seelen, die besondere Betreuung und Zuwendung bräuchten. Oft hakt es aber schon am Nötigsten.

In den vergangenen Monaten gingen Asylbewerber quer durch die Republik immer wieder auf die Barrikaden, um bessere Lebensbedingungen und eine Perspektive in Deutschland einzufordern. Es gibt viele Solidaritätsdemonstrationen für Flüchtlinge. Auf der anderen Seite nehmen aber auch rechtsextreme Proteste und Übergriffe gegen Unterkünfte von Asylbewerbern zu.

Überraschend kommt der Anstieg der Asylanträge nach Expertenansicht nicht. "Es war lange absehbar, dass die Zahlen steigen werden", meint Burkhardt von Pro Asyl. Bund, Länder und Kommunen hätten aber nur kurzfristig agiert, anstatt sich mittelfristig auf den Anstieg einzustellen. "Das rächt sich jetzt."


Quelle:
dpa