Aserbaidschanische Journalisten berichtet über ihre Arbeit

"Jagdsaison auf unabhängige Journalisten eröffnet"

Die Situation der freien Medien in Aserbaidschan hat sich nach Ansicht der Reporterin Khadija Ismayilova in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert. Journalisten werden "systematisch entführt, erpresst und bedroht", berichtet die aserbaidschanische Journalistin. Als Ilham Alijew 2003 Präsident von Aserbaidschan wurde, sei die "Jagdsaison auf unabhängige Journalisten eröffnet" worden. Seitdem sei kein einziger Übergriff auf Journalisten aufgeklärt worden.

 (DR)

Bei ihrer Berichterstattung rund um den Eurovision Song Contest in Baku sollen Medien sich nicht einschüchtern lassen, sagte Ismayilova auf einer Veranstaltung von Reporter ohne Grenzen am Mittwoch in Berlin. Die regimekritische Journalistin wurde in der Vergangenheit selbst heimlich in intimen Situationen fotografiert und gefilmt. Anschließend habe man versucht, sie mit den Fotos zu erpressen. Als ein heimlich in ihrem Schlafzimmer aufgenommenes Video ins Netz gestellt wurde, ging sie an die Öffentlichkeit und erstattete Anzeige.



Ismayilova berichtete am Dienstag zusammen mit den Journalisten Sergej Litvinenko aus der Ukraine und Olga Romanowa aus Russland über die Bedingungen ihrer Arbeit. Alle drei erhalten am Donnerstag den Gerd Bucerius-Förderpreis Freie Presse Osteuropas 2012.



Zugegen war bei der Veranstaltung von Reporter ohne Grenzen am Mittwoch in Berlin auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning. Für ihn ist Aserbaidschan eine "große Enttäuschung". Er habe mit dem Beitritt zum Europarat mit einer starken Verbesserung gerechnet, sagte Löning. Aserbaidschan habe die "Menschenrechte in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt abgebaut". Eine weitere Enttäuschung sei die Entwicklung der Pressefreiheit in der Ukraine. Das Land habe nach der Wahl von Präsident Wiktor Janukowytsch im Jahr 2010 "sehr deutliche Rückschritte" gemacht. Im vergangenen Jahr gab es laut Reporter ohne Grenzen 35 Angriffe auf Journalisten, die meisten seien straflos geblieben.



"In der Ukraine hat Pressefreiheit keine Chance"

Für Sergej Litvinenko, der als Chefredakteur des ukrainischen Wochenmagazins "Ukrainskiy Tyzhden" (Ukrainische Woche) arbeitet, ist die Situation der Medien in der Ukraine nicht mit der in Aserbaidschan vergleichbar, "aber wir bewegen uns deutlich in diese Richtung". Die Monopolisierung der Medien sei eine große Bedrohung für die Pressefreiheit. "Sie gehen systematisch gegen oppositionelle Medien vor, da hat Pressefreiheit keine Chance", sagte Litvinenko.



In Russland gebe es seit Putins Wiederwahl vor wenigen Monaten zahlreiche Demonstrationen gegen die Regierung, sagte Olga Romanowa, die als freie Journalistin, Aktivistin und Mitbegründerin der Bewegung "Sitzendes Russland" in Moskau arbeitet. "Die Situation verändert sich jeden Tag", Hungerstreiks und Verhaftungen seien die Regel. Ihr Ehemann sei vor vier Jahren wegen angeblichen Betrugs ins Gefängnis gekommen. Jetzt könne sie sich nicht vorstellen, was ihr noch weggenommen werden könne. "Deshalb muss ich so mutig sein", sagte Romanowa.



Der Gerd Bucerius-Förderpreis Freie Presse Osteuropas 2012, den sie und andere Reporter am Donnerstag erhalten, wird seit 2000 jährlich von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, der Friedrich Naumann Stiftung und Reporter ohne Grenzen vergeben. Er soll Journalisten in Osteuropa ermutigen und in ihrer unabhängigen Berichterstattung auszeichnen.