Armuts-Kongress der Caritas in NRW

"Werden aus allen Rohren schießen"

Der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Johannes Hensel lastet der nordrhein-westfälischen Landesregierung schwere Versäumnisse bei der Armutsbekämpfung an. "Es gibt hier und da Projekte, aber wenig Verbundenheit", kritisiert Hensel im domradio.de-Interview. Deshalb wolle die Caritas hier auch weiterhin den Finger in die Wunde legen.

 (DR)

Die Präventionspolitik der rot-grünen Landesregierung mit frühen Hilfen für Kinder und Familien beschränke sich gegenwärtig auf Projekte und Modellversuche, kritisierte Hensel auch bei einem Armuts-Kongress der Caritas in NRW in Düsseldorf am Donnerstag (22.11.2012). Es fehle aber an flächendeckenden Einrichtungen etwa bei der Gesundheitsvorsorge in sozialen Brennpunkten. Zudem sei die Finanzierung der Präventionspolitik in NRW völlig unzureichend.



Nach jahrelangen "Lippenbekenntnissen" müsse die Armutsbekämpfung endlich energisch forciert werden, verlangte der Diözesan-Caritasdirektor. "Es mangelt nicht an gutem Willen, aber an handfester Prioritätensetzung, Mut und Durchsetzungskraft." Trotz guter Wirtschaftskonjunktur sei jeder siebte Einwohner und jedes fünfte Kind in NRW armutsgefährdet. In den Ruhrgebietsstädten Dortmund, Duisburg, Oberhausen und Gelsenkirchen gebe es einer aktuellen Bertelsmann-Studie zufolge die bundesweit höchste Kinderarmut. Nach dieser Studie leben in Gelsenkirchen 40 Prozent der Kinder unter der Armutsgrenze. In anderen Revierstädten lägen die Quoten bei 30 bis 35 Prozent.



"Wir werden aus allen Rohren schießen"

Armut sei "kein beliebtes Thema in der Politik", sagte Hensel. Arme Menschen setzten nur noch wenige Erwartungen in die Parteien und gingen kaum zur Wahl. Deshalb sei diese Gruppierung in Wahlkämpfen keine wichtige Zielgruppe. Die Caritasverbände wollten im Bundestagswahljahr klar machen, dass Armut "auf die große Bühne gehört" und sich Politiker mit diesem Thema "renommieren" könnten. "Wir werden aus allen Rohren schießen", kündigte Hensel auf dem Düsseldorfer Caritas-Kongress an, der unter dem Motto stand: "Armut macht krank - Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in NRW".



Empört zeigte sich Hensel über die angekündigte Kürzung der Landesmittel für die Grundausstattung der Wohlfahrtsverbände. Diese Mittel wolle die rot-grüne Regierung im Landesetat 2013 um etwa zwei Drittel von bisher 7,1 auf 2,8 Millionen Euro kürzen. "Das ist ein Affront", sagte Hensel. An diesem Vorgang werde deutlich, dass die Wohlfahrtsverbände als "Lobby der Armen" für die Landespolitik zunehmend "unbequem" seien.