Armut in Deutschland

Wohlstand wird nicht verteilt

Die Armut in Deutschland ist laut einer Studie seit 2006 sprunghaft angestiegen. Noch nie seit der Wiedervereinigung galten so viele Menschen als arm. Am schlimmsten ist die Situation in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin.

Roma-Armut in Duisburg (dpa)
Roma-Armut in Duisburg / ( dpa )

"Deutschland ist armutspolitisch eine tief zerklüftete Republik", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, bei der Vorstellung des jährlichen Armutsberichts des Verbands am Donnerstag in Berlin. Demnach gelten in der Bundesrepublik über 12,5 Millionen Menschen als arm. Es ist laut Schneider der höchste Stand seit der Wiedervereinigung, zudem gebe es große regionale Unterschiede.

Laut Verband stieg die Armutsquote 2013 um 0,5 Prozentpunkte auf 15,5 Prozent der deutschen Bevölkerung. Seit 2006 habe die Armut um 11 Prozent zugenommen, es gebe seitdem einen fast ungebrochenen Aufwärtstrend. Den rasantesten Anstieg aller Gruppen habe es mit 48 Prozent seit 2006 bei den Rentnern gegeben. Schneider sprach von einem bereits eingetretenen "Erdrutsch der Altersarmut".

Laut der Studie gibt es zwar einen flächendeckenden Anstieg der Armut. Die Lage sei aber je nach Bundesland sehr unterschiedlich, weshalb sich das Bild einer zerklüfteten Republik zeichne, so Schneider. Lediglich in Sachsen-Anhalt und Brandenburg gehe die Armut zurück. Im Saarland und Bremen, vor allem aber in Hamburg habe sie 2013 am stärksten zugenommen. Die geringste Armutsquote gibt es nach den Angaben in Bayern (11,3 Prozent) und Baden-Württemberg (11,4 Prozent), die höchste in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mit deutlich über 20 Prozent.

Steigender Wohlstand wird nicht gut verteilt

Schneider kritisierte, dass die Armut trotz sinkender Arbeitslosigkeit und einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung zugenommen habe. "Offensichtlich haben wir extreme Verteilungsprobleme bei steigendem Wohlstand", hob der Geschäftsführer hervor. Dem höchsten Armutsrisiko seien Alleinerziehende und Menschen mit geringen Bildungsabschlüssen ausgesetzt. Schneider forderte, das Arbeitslosengeld sowie die Altersgrundsicherung spürbar zu erhöhen und Familien zu entlasten.

Als arm gelten nach einer Definition der EU Personen, die über weniger als 60 Prozent des mittleren gesellschaftlichen Einkommens verfügen. Laut Paritätischem werden in Deutschland Einpersonenhaushalte mit einem Einkommen von weniger als 892 Euro pro Monat als arm bewertet. Bei einer Familie mit zwei Kindern liegt die Grenze bei 1.872 Euro.

Der Sozialverband VdK nannte es angesichts der guten wirtschaftlichen Lage "paradox, dass sich Armut für bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht nur verfestigt, sondern der Strudel sogar noch weiter abwärts zieht". Präsidentin Ulrike Mascher kritisierte vor allem eine wachsende Altersarmut und machte dafür die Rentenentwicklung der letzten Jahre verantwortlich. "Das Rentenniveau muss bei 50 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns stabilisiert werden", forderte sie. Erforderlich sei hierzu die dauerhafte Streichung der Dämpfungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel.


Quelle:
KNA