ARD zeigt Reportage über ein schwieriges Gesetz

Wem hilft die neue Patientenverfügung?

Apparatemedizin und lebensverlängernde Maßnahmen können für kranke Menschen zur Horrorvorstellung werden. Hilft hier das neue Gesetz über Patientenverfügungen wirklich weiter oder wird alles noch komplizierter? Jeder zweite Patient formuliert seine Wünsche zu allgemein, warnen Ärzte. Wenn es lediglich heißt: "Ich will nicht an Maschinen hängen", dann ist die Verfügung ungültig. Was also kann getan werden, um sicher zu gehen und den eigenen Willen deutlich zu machen, fragte die WDR-Autorin Renate Werner.

Autor/in:
Heide-Marie Göbbel
 (DR)

In der Geriatrie des Kölner St. Marienhospitals begleitete sie einen Monat lang schwer kranke Menschen und dokumentiert in der Reportage «Gott und die Welt: Schaltet mich ab! - Patientenverfügung im Ärztealltag» an typischen Beispielen, wie Patienten und Ärzte damit umgehen. Die ARD strahlt den einfühlsamen und hochinformativen Beitrag am Sonntag um 17.30 Uhr aus.

Für die Ärzte und Pfleger des St. Marienhospitals ist die Entscheidung, ob jemand «abgeschaltet» werden soll, immer schwierig. Jede Krankengeschichte wird sorgfältig geprüft. Wenn es Zweifel gibt, hilft in letzter Konsequenz ein Ethik-Konzil aus Medizinern, Seelsorgern und Mitarbeitern des Sozialdienstes, um die richtige Entscheidung im Sinne der Patienten zu treffen. Was soll zum Beispiel mit einer Patientin passieren, die täglich fleht, die Apparate abzuschalten und sie endlich von ihrem Leiden zu erlösen, obwohl sie «es letztlich auch selbst machen könnte», wie ein Betreuer sagt.

Die Autorin zeigt im ersten Fall, wann eine Patientenverfügung wirksam ist, die vom behandelnden Arzt im Krankenhaus abgefasst und vom Kranken unterschrieben wird. Für wenige Menschen liegen die Dinge so klar wie für die schwer nierenkranke Wilhelmine H., die in ihrem Alter nicht mehr an ein Dialysegerät angeschlossen werden möchte: «Ein kurzes Leiden, und dann...», überlegt die 82-Jährige, «das muss sein, der Tod gehört zum Leben». Der behandelnde Arzt überprüft ihren Letzten Willen bei drei unterschiedlichen Anlässen.

Sie beantwortet seine Fragen nach lebensverlängernden Maßnahmen jedes Mal deutlich und widerspruchsfrei. Sie weiß, dass sie damit ihren Tod einfordert. Erleichtert unterschreibt sie schließlich das Formular, das der Arzt für sie ausgefüllt hat. Drei Wochen später stirbt Wilhelmine H. an akutem Nierenversagen, erzählt die Autorin. Sie gehöre damit zu den zehn Prozent der Kranken in Deutschland, die formulierten, wie sie sterben möchten.

Ganz anders liegt die Situation bei der unheilbar lungenkranken Rosemarie L. Sie wurde in der Notaufnahme sofort an eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Gegen ihren Willen, wie sich später herausstellte. Denn in der Patientenverfügung hielt sie fest, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wollte. Die Verfügung wurde in der Hektik zu spät entdeckt. Bis zur Entscheidung des Ethik-Konzils tun Ärzte und Pfleger alles, um ihre Lage zu erleichtern. Die Mediziner versuchen, ob sie einige Stunden am Tag ohne Beatmungsgerät auskommt. Der Rat empfiehlt, ihr eine Sauerstoffmaske statt einer Kanüle zu geben. Einige Zeit später geht es Rosemarie L. wieder besser. Sie kann in ihr Heim zurückkehren, doch weiterhin im Rollstuhl und mit Beatmung.

Für die Ärzte ist die neue Gesetzeslage nach wie vor schwierig.
Eigentlich müssten sie zuerst nach einer Patientenverfügung suchen, bevor sie Erste Hilfe leisten, erläutert die Autorin. Die Mediziner stehen noch immer vor einem Problem: «Oft liegt es allein an uns, zu entscheiden, ob ein Leben verlängert wird oder nicht», bedauert der Geriatriearzt Johannes-Josef Raczinski.

Zum Schluss fragt die Autorin, ob das neue Gesetz nun den Patientenwillen garantieren kann, oder ob es nur neue Konflikte in die Krankenzimmer trägt. Sie zeigt an praktischen Beispielen, dass das, was im neuen Gesetzestext einfach klingt, im Krankenhausalltag oft zu einem schweren Zwiespalt führt.

Hinweis: «Gott und die Welt: Schaltet mich ab! - Patientenverfügung im Ärztealltag». Reportage von Renate Werner. ARD, So 31.1., 17.30 - 18.00 Uhr.