Applaus und Frust bei Merkels Besuch des Migrationsbundesamts

"Nur eine Minute, Frau Merkel"

Eine Menschentraube wartet vor der Außenstelle des Bundesamtes für Migration in Berlin-Spandau - nicht auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu Besuch ist, sondern auf einen Termin für den Asylantrag.

Autor/in:
Anna Mertens
Bundeskanzlerin Merkel besucht Flüchtlingsunterkunft / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Bundeskanzlerin Merkel besucht Flüchtlingsunterkunft / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Jumaah Omar ist enttäuscht. Nur eine Minute wollten der 28-Jährige und sein Freund mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen. Nur eine Minute, um der Kanzlerin ihre Lage zu beschreiben.

Doch sie seien beide von den Begleitern Merkels abgewiesen worden, erzählt der junge Iraker vor der AWO-Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin-Spandau am Donnerstag. Sein Freund zieht ein Blatt Papier aus der Hosentasche. "Nur eine Minute ein Gespräch, Frau Merkel, bitte", steht darauf in krakeligem Deutsch geschrieben. Mit Tränen in den Augen steckt er das Papier wieder weg. Knapp 300 Asylbewerber aus 19 Ländern leben seit Wochen in der Erstaufnahmeeinrichtung - und warten.

Ende August besuchte Angela Merkel Flüchtlingslager in Heidenau

Ende August war die Kanzlerin im Flüchtlingslager im sächsischen Heidenau, nun steht sie vor der Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin. Zuvor hatte sie sich ein Bild von der Außenstelle des Bundesamtes für Migration (BAMF) in nächster Nähe gemacht. Sie habe den Helfern und BAMF-Mitarbeitern danken wollen, sagt die Kanzlerin in die Kameras.

Langes Asylverfahren - lange Wartezeiten

Man stehe vor großen Herausforderungen und die Verfahren müssten beschleunigt werden, aber das dauere noch, fügt Merkel hinzu. Jeder Asylantrag werde sorgfältig geprüft, auf alle Anliegen werde eingegangen. Nach ihrem Besuch in der AWO-Einrichtung zieht die Kanzlerin weiter, um eine Willkommensklasse für Flüchtlinge in Berlin-Kreuzberg zu besuchen. Unzählige Flüchtlinge wollen noch ein Handyfoto mit ihr aufnehmen. Zum Abschied gibt es Applaus.

Omar ist frustriert. Seit acht Monaten warte er in der Erstaufnahmeeinrichtung. Täglich hoffe er, dass Post für ihn da sei, dass er endlich einen Aufenthaltsstatus erhalte. "Aber nichts passiert", erzählt er. Er gehe regelmäßig in die BAMF-Außenstelle, wo sich auch am Donnerstag wieder dutzende Asylbewerber vor dem Eingang tummeln, in der Hoffnung positive Nachrichten zu erhalten. Einige Freiwillige verteilen Wasser und Nahrungsmittel. Alles Privatspenden.

In den kommenden Tagen will das Evangelische Johannesstift die Freiwilligenarbeit unterstützen und Nahrung und warme Getränke an die Wartenden verteilen.

Unverständnis gegenüber schneller Abwicklung syrischer Anträge

"Die Syrer werden in wenigen Wochen anerkannt, erhalten einen Ausweis und können ihre Familien nachholen, warum wir nicht?", fragt Omar, der aus Mossul stammt. Er sei studierter Sportlehrer, habe früher, als die Terrormiliz "Islamische Staat" (IS) seine Heimatstadt noch nicht eingenommen hatte, professionell Fußball gespielt. Später habe er mit einem Pkw Iraker, die das Land verlassen wollten, in die Türkei gefahren. "Jetzt warte ich", fügt er resigniert hinzu.

Vier Wochen sei er auf der Flucht gewesen. "Ich habe viele Male meinen Tod vor mir gesehen", berichtet er. Seine Frau und seine beiden Kinder, sechs und zwei Jahre, seien noch im Nahen Osten. "Ich möchte endlich meine Kinder wiedersehen", bekräftigt Omar. Doch ohne Status darf er seine Familie nicht nachholen. "Ich dachte in Deutschland sei alles gut, aber es ist nicht alles gut", sagt er traurig.

Hilfswerke helfen, wo es geht

Asmahan weiß, was die jungen Männer durchgemacht haben. Sie ist selbst vor mehr als 30 Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland geflohen. Ihre Eltern kommen aus Syrien und dem Libanon. Nun versucht die Sozialbetreuerin der AWO den Ankommenden zu helfen, so gut es geht. "Wir wollen ihnen die Hilfe geben, die wir damals nicht hatten", sagt Er. Alle Flüchtlinge seien sehr freundlich und unheimlich bemüht, schnell Deutsch zu lernen.

Auch Mohab sprich schon Deutsch, noch gebrochen, aber für zwei Monate kann er sich gut verständigen. Der 20-Jährige ist mit seinen Brüdern aus Syrien nach Berlin geflohen. Die Familie stammt ursprünglich aus den Palästinensischen Autonomiegebieten. Die Eltern seien noch in Syrien, aber er habe lange nichts mehr von ihnen gehört, erzählt er.

Auch für Mohab ist das Warten das Schlimmste. Er wolle so gerne Deutschunterricht nehmen, aber das könne er nicht ohne Aufenthaltsstatus. Auch sei nur ein Bruder mit ihm gemeinsam in der Spandauer Einrichtung, die anderen wohnten in anderen Erstaufnahmelagern. "Warum?", fragt Mohab. Dennoch hat er die Hoffnung auf ein gutes Ende nicht aufgeben. Er wolle Arzt werden, sagt er und lächelt. Das sei sein Traum.

 


Quelle:
KNA