Applaus im Internet für den norwegischen Attentäter

Krude und zynisch

Nach dem Amoklauf in Norwegen wird eine relativ neue Tendenz in der deutschen Neonaziszene sichtbar: der Kampf gegen die angebliche "Islamisierung" Europas. Ungestraft können hier die krudesten Thesen und zynischsten Kommentare abgesondert werden.

 (DR)

"War lange überfällig." Zynische Kommentare wie dieser der "Kampfgruppe Bitterfeld", finden sich vier Tage nach dem Blutbad in Oslo und Utöya im Internet-Blog "Altermedia Deutschland - Störtebeker-Netz", in dem sich Neonazis austauschen. "Wehrwolf" führt aus: "Der Krieg gegen die nordischen Völker Europas wird unablässig seit dem 8.5.1945 weiter geführt. Man könnte auch sagen: Seit dem 22.7.2011 15.33 wird jetzt zurückgeschossen."



"Eigentlich stand in der Neonazi-Szene das Thema Antisemitismus im Vordergrund", sagt Christoph Busch, Rechtsextremismus-Experte an der Universität Siegen. "Mittlerweile ist die Argumentation Standard, dass der Islam per Bevölkerungswachstum Europa bedroht, und dass man sich dagegen offensiv wehren muss."



Genau so wird auf Altermedia das Massaker in Oslo gerechtfertigt: "Der Krieg um Überleben oder Untergang der europäischen Völker hat schon vor Jahrzehnten begonnen", schreibt ein Autor namens "Vom Krieg, der längst begonnen hat". "Er wird bislang nur nicht offen mit Waffen, sondern im Stillen, mittels Geburtenraten und allmählicher Überfremdung geführt." Die Tat in Norwegen seien nur ein "erstes Wetterleuchten" dessen, was noch auf Europa zukommen werde. "Sollen wir uns sehenden Auges und tatenlos in unseren Untergang fügen?" - So menschenverachtend rechtfertigt "Vom Krieg, der längst begonnen hat" die Gewalttaten und nennt sie ein "unübersehbares Zeichen des Widerstandes".



"Überfremder haben die Botschaft wohl verstanden"

Warum die angebliche "Überfremdung" durch Muslime mit dem Attentat auf Jugendliche beantwortet werden musste: Diese zynische Frage wird auf Altermedia kontrovers diskutiert. "Heinrich" kritisiert: "ABB hat nachweislich wahllos Kinder und Jugendliche seiner eigenen, nordischen Rasse abgeknallt und liefert den linken und grünen Multi-Kulti-Spinnern somit eine Steilvorlage!"



Jedoch hätten auffällig viele der im Fernsehen befragten Überlebenden dunkle Haare gehabt, schreiben mehrere Blogger. "Zumeist waren es die sattsam bekannten orientalischen Visagen", kommentiert "Vom Krieg, der längst begonnen hat". Wehrwolf ergänzt: "Die "Volksverderber" und "Überfremder" haben die Botschaft wohl verstanden."



Nicht nur Neonazis beschäftigen sich mit dem Attentat in Oslo, sondern auch Rechtspopulisten wie die Betreiber und Kommentatoren des Blogs politicallyincorrect.de. Hier ist Islamfeindlichkeit schon seit Jahren das dominierende Thema. "PI braucht sich nicht Hundert Mal von dem abzugrenzen, mit dem es überhaupt nichts zu tun hat", schreibt ein anonymer Nutzer, "PI soll weiter selbstbewusst auftreten und aufklären, denn es wird jetzt mehr Interesse an Islamkritik geben (genauso wie nach 9/11 Interesse für Islam wuchs)." "Buhkuh" beklagt: "Wenn "einer von uns" Terror verübt, verkriechen wir uns unter einem Stein. Wir müssen uns nicht verkriechen."



"Rein taktisch motiviert" sind solche Abgrenzungen aus der Sicht des Experten Christoph Busch: "Die machen permanent Hasspropaganda im Netz, in der sie Menschengruppen wie Muslime abwerten, und wundern sich dann angeblich, wenn Einzelne zu Gewalt greifen."



NPD spricht dem Attentäter nationale Gesinnung ab

Als ähnlich unglaubwürdig beurteilt Busch die Beteuerungen der rechtsextremistischen NPD, sich von der Tat zu distanzieren. Auf ihrer Facebook-Seite argumentiert die Partei: Anders Behring Breivik sei gar kein "Nationalist", schließlich habe er in seinem Manifest zum gemeinsamen Kampf mit den "zionistischen Brüdern gegen alle Anti-Zionisten" aufgerufen: "Es wird immer klarer, daß dieser Irre kein Nationaler ist, sondern von den Linksmedien europaweit zur Dämonisierung nationaler Kräfte instrumentalisiert wird."



Christoph Platt antwortet auf der NPD-Pinnwand bei Facebook: "Is ja eh klar! Jetzt habns einen Grund gegen die Rechtspopulistischen Parteien vorzugehen! In Österreich wird jetzt auf die FPÖ hingehauen weil im Manifest Wien erwähnt wird! So quasi das die FPÖ eine Mitschuld an dem Massaker trägt!"



Schließlich bemüht die NPD auch noch den Kurznachrichtendienst Twitter und schreibt: "Die Politiker der BRD versuchen die Anschläge eines Ökobauern in Norwegen für ihre Zwecke auszunutzen." Gemeint ist die wieder aufgekommene Forderung nach einem erneuten NPD-Verbotsverfahren nach dem Attentat.



"Die NPD will Wählerstimmen gewinnen, und man bekommt natürlich schlechte Sympathiewerte, wenn man Kinder erschießt", kommentiert Christoph Busch die Versuche der NPD, sich von dem Attentäter abzugrenzen.