Patriarch nimmt Staatengemeinschaft in die Pflicht

Appell zum Auftakt der Misereor-Fastenaktion

Der Libanon ist Schwerpunktland der Fastenaktion des Hilfswerks Misereor. Angesichts neuer Flüchtlingsbewegungen im Nahen Osten hat der libanesische Kardinal Bechara Boutros Rai zu mehr Solidarität mit dem Libanon aufgerufen.

Kardinal Bechara Boutros Rai / © Paul Haring (KNA)
Kardinal Bechara Boutros Rai / © Paul Haring ( KNA )

"Die internationale Staatengemeinschaft muss begreifen, dass der Libanon nicht mehr allein die Last von zwei Millionen Flüchtlingen tragen kann", sagte der Patriarch, religiöses Oberhaupt von 3,1 Millionen Maroniten weltweit, am Sonntag der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) in seinem Amtssitz Bkerke nördlich von Beirut.

Zugleich trage die Staatengemeinschaft eine entscheidende Mitverantwortung für die Konflikte in der Region, fügte der Kardinal, der am Dienstag 80 Jahre alt wurde, hinzu. "Der Waffenhandel und die Waffenlieferungen nach Syrien und in den Irak arbeiten für den Krieg und nicht für den Frieden."

Politiker in der Kritik

Kritik übte das Oberhaupt der größten christlichen Gemeinschaft im Libanon auch an den Politikern in seinem Heimatland. Korruption und Misswirtschaft hätten dazu geführt, dass der Libanon am Boden liege, so Rai. Von den 4,5 Millionen Libanesen lebe mindestens ein Drittel unterhalb der Armutsgrenze, die Hälfte arbeitsfähigen Bevölkerung finde keinen Job: "Da hilft nicht einmal ein Universitätsabschluss."

Viele Libanesen suchten deswegen ihr Glück in der Fremde, beklagte Rai. Das Land verliere seine besten Kräfte. Glücklicherweise habe fast jede Familie jemanden im Ausland, der sie finanziell unterstütze. "Niemand stirbt an Hunger", sagte der Patriarch.

Verständnis äußerte Rai für die Proteste im Zedernstaat. "Ich bin für die Demonstrationen, für den politischen Wechsel."

Vorbildliches Zusammenleben der Religionen

Trotz der bestehenden Konflikte beschrieb der maronitische Patriarch das Zusammenleben der Religionen als vorbildlich. "Wir sind arm an Wirtschaft und Finanzen, aber reich an Werten", sagte er. Christen, Schiiten und Sunniten, die jeweils ungefähr ein Drittel der Bevölkerung stellten, lebten "in völliger Freiheit brüderlich zusammen". Ihre demokratische Beteiligung an Staatsämtern und Behörden sei durch einen nationalen Pakt geregelt. Diesen Schatz gelte es zu bewahren.

Rai ist seit 2011 Oberhaupt der mit Rom verbundenen maronitischen Kirche. Seit einer Übereinkunft bei der staatlichen Unabhängigkeit des Libanon 1943 stellen die Maroniten stets den Staatspräsidenten.

Durch die enge Verbindung von Religion und Politik ist das Patriarchenamt auch politisch von großer Bedeutung.


Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in einem Schaufenster / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in einem Schaufenster / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA