Anna Amalia Bibliothek kämpft noch immer mit Brandfolgen

Fünf Jahre nach der Katastrophe

Vor fünf Jahren brach in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar ein verheerender Brand aus, der das Gebäude und den wertvollen Buch- und Kunstbestand stark beschädigte. Nach aufwändigen Restaurierungsarbeiten konnte das Historische Bibliotheksgebäude 2007 wiedereröffnet werden. Doch auch heute sind noch Brandfolgen zu spüren. Ein Besuch.

 (DR)

Michael Knoche berührt mit seinem Schuh einen kleinen schwarzen Fleck auf dem Holzboden des Rokokosaals. «Einige Spuren haben wir stehenlassen», sagt der Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Den Besuchern dürfte der Brandfleck aber kaum auffallen. Zu glanzvoll erstrahlt ansonsten der prächtige Saal mit seinen Gemälden und Büsten aus herzöglichem Besitz fünf Jahre nach dem verheerenden Brand der Bibliothek.

Die Unglücksnacht des 2. Septembers 2004 hat Knoche noch ganz genau vor Augen. Als er von dem Brand erfuhr, saß er am heimischen Schreibtisch. Um 20.25 Uhr habe ihn der Anruf erreicht. «Das war der Schock überhaupt», sagt er rückblickend, «ein Alptraum für jeden Bibliothekar».

Ein defektes Kabel hatte einen Schwelbrand hinter einer Wandverkleidung ausgelöst. Der Dachstuhl und die obere Galerie des über drei Etagen reichenden Rokokosaals aus dem 16. Jahrhundert brannten in der Nacht vollkommen aus. Eine Stunde blieb Knoche und den anderen Helfern damals, um möglichst viel zu retten, bevor die Bibliothek endgültig geräumt wurde.

62 000 Bücher konnten geborgen werden, teilweise stark beschädigt durch die Hitze oder die 300 000 Liter Löschwasser, die von der Feuerwehr in das historische Gemäuer gepumpt worden waren. Etwa 50 000 historische Bücher und Notenblätter sowie mehrere Gemälde fielen den Flammen zum Opfer, darunter wertvolle Handschriften, die durch das Feuer unwiederbringlich verloren gingen.

«Dieser Buchbestand war das Reservoir für die Weimarer Dichter und Philosophen», sagt Knoche. Goethe, Herder und Schiller seien hier ein- und ausgegangen. Dass Teile dieses kulturellen Erbes verloren gingen, habe ihn «nachhaltig bewegt».

Auch beim Referatsleiter Bestandserhaltung, Matthias Hageböck, hat die Brandnacht tiefe Eindrücke hinterlassen. Als «sehr apokalyptisch» habe er die meterhohen Flammen, die herunterstürzenden Holzbalken und das Zischen der Flammen wahrgenommen. «Für mich als Restaurator war das natürlich doppelt schlimm», sagt er. Schließlich habe er, der sich mit seiner Arbeit der Pflege der historischen Schätze verschrieben hat, damals mit ansehen müssen, wie all dies abzubrennen drohte.

Die Situation sei «zum Verzweifeln» gewesen, sagt auch Knoche. Nach dem anfänglichen Schock habe er aber schnell wieder Mut gefasst. «Die Bibliothek wird nicht untergehen», verkündete der Direktor damals, nur einen Tag nach der Katastrophe. Heute fühlt er sich bestätigt: In fünf Jahren Aufbauarbeit habe die Bibliothek «mehr erreicht, als man anfangs erwarten konnte».

Bereits im Oktober 2007 feierte die Anna Amalia Bibliothek ihre Wiedereröffnung, 19 000 restaurierte Bücher stehen wieder zur Benutzung zur Verfügung, 23 000 Bände wurden durch Neuerwerbungen ersetzt. Bis 2015 sollen, mit Hilfe von Experten aus ganz Deutschland, die restlichen hitze- und wassergeschädigten Bücher wiederhergestellt sein.

Von der Gesamtsumme von rund 67 Millionen Euro, die der Direktor für die Wiederbeschaffung und Restaurierung von Büchern veranschlagt, hat die Anna Amalia Bibliothek die Hälfte zusammen. Am meisten hat Knoche die Hilfsbereitschaft der «überraschend breiten Öffentlichkeit» imponiert. Über 22 000 Einzelspenden seien eingegangen, insgesamt rund 12 Millionen Euro. Das Einwerben von Großspenden werde aber immer schwieriger, je länger der Brand zurückliege.

Die große Anteilnahme hat auch Hageböck positiv überrascht. Nach der Katastrophe hätten sich rührende Szenen abgespielt, erinnert er sich und erzählt von einer Schulklasse, die auf ihrem Schulhof vom Wind kilometerweit verwehte Buchschnipsel entdeckt hatte und ihm die Kisten mit den verkohlten Überresten «mit strahlenden Augen» überreichte.

Von den 28 000 Büchern, deren Seiten durch das Feuer teilweise verbrannten, hofft Hageböck 8000 restaurieren zu können. In der hauseigenen Werkstatt sei dafür ein neuartiges Verfahren entwickelt worden, erläutert der Restaurator und holt einen frisch aufbereiteten Stapel Buchseiten hervor, die um den schmalen verkohlten Rand herum mit neuem Papier ergänzt wurden. Ähnlich wie beim Papierschöpfen seien die verbrannten Stellen mit neuen Papierfasern ersetzt worden.

Die Brandspuren sollen allerdings nicht um jeden Preis beseitigt werden. Es gehe nicht um Kosmetik, betont Hageböck, sondern darum, dass die originale Substanz weitestgehend erhalten bleibe und die Bücher wieder benutzbar seien. Die Brandspuren bleiben zu sehen - als stumme Zeugen der Katastrophe.