Sonntag wird ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt

Angstvolle Wahlen in Burkina Faso

Westafrikas einstiger Musterstaat in puncto Sicherheit und friedlichem Zusammenleben steht vor einem schwierigen Urnengang. Aufgrund von Angriffen und Überfällen werden mehr als 1.000 Wahllokale geschlossen bleiben.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Eine Straßenszene in Ouagadougou (Burkina Faso) 2017. / © Michael Merten (KNA)
Eine Straßenszene in Ouagadougou (Burkina Faso) 2017. / © Michael Merten ( KNA )

Im Zentrum von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou macht eine Gruppe junger Menschen ordentlich Lärm: Auf gelben Fahrrädern fahren sie durch die engen Straßen. Ein kleines Geschäft steht neben dem nächsten. Immer wieder halten sie an, tröten in ihre Vuvuzelas und rufen laut "UPC". Das Kürzel steht für die Union für Fortschritt und Wandel, eine der bekanntesten Parteien des Landes, deren Spitzenkandidat Zephirin Diabre ist. Verkäufer und Passanten schauen neugierig zu, war doch der Wahlkampf für das Präsidentenamt und die 111 Parlamentssitze bisher alles andere als laut und auffällig. Bis zum Wahltag am Sonntag heißt es nun für die 13 Bewerber um das höchste Staatsamt sowie Hunderte Parteien und politischen Bündnisse: Endspurt.

Überschattet werden die Wahlen erstmals in der Geschichte des Landes von gravierenden Sicherheitsproblemen. Dschihadisten wie die "Gruppe für die Unterstützung des Islam und der Muslime" (JNIM) aus Mali sowie der "Islamische Staat in der größeren Sahara" (ISGS) haben sich seit 2016 vor allem im Norden und Osten ausgebreitet. Laut der nichtstaatlichen Organisation ACLED sind in den vergangenen zwölf Monaten 2.730 Menschen durch Überfälle, Ausschreitungen und Gewalt gegen Zivilisten ums Leben gekommen.

Wahllokale öffnen vielerorts nicht

Die Auswirkungen werden am Sonntag spürbar sein: Schon jetzt ist klar, dass mehr als 1.300 der knapp 22.000 Wahllokale gar nicht erst öffnen. Auch viele der über eine Million Binnenflüchtlinge stehen an ihren aktuellen Aufenthaltsorten nicht in den Wählerlisten. "Selbst wenn sie öffnen, wer nimmt den mitunter weiten Weg in Kauf?", fragt sich Francois Paul Ramde, Leiter der Geschwisterlichen Union der Gläubigen von Dori. Die Organisation in der Hauptstadt der Provinz Sahel setzt sich für das friedliche Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen ein.

Im ganzen Norden kommt es regelmäßig zu Anschlägen. Erst vorige Woche starben offiziellen Angaben zufolge 14 Soldaten. Vor allem 2019 wurden mehrfach Kirchen angegriffen. Im August ermordeten mutmaßliche Dschihadisten den bekannten und moderaten Hauptimam aus Djibo, der wichtigsten Handelsstadt im Norden. In einigen Gegenden könne auch am Sonntag allein der Weg zum Wahllokal riskant sein, so Ramde.

Verschlechterte Sicherheitslage

Massiv verschlechtert hat sich die Sicherheitslage seit 2015 und somit dem Beginn der Regierungszeit von Roch Marc Christian Kabore, der erneut für die Volksbewegung für den Fortschritt (MPP) zur Wahl steht. Eine Umfrage sieht ihn bei 42 Prozent der Stimmen. Zuvor war Blaise Compaore bis zu seinem Sturz im Oktober 2014 insgesamt 27 Jahre lang an der Macht gewesen.

Aufgrund von Deals mit Terrorgruppen sollen diese Burkina Faso mit seinen 20,8 Millionen Einwohnern lange verschont und als Rückzugsort genutzt haben. Der Vorsitzende des Kongresses für Demokratie und Fortschritt (CDP) und Spitzenkandidat, Eddie Komboigo, winkt jedoch ab und betont: "Es hat keine Abkommen gegeben." Wie Diabre fordert er einen Dialog mit den Terroristen. Kabore hat diesen bisher abgelehnt. Es ist die entscheidende Frage der Wahl.

Jean Leonard Bouda, Nationalsekretär der UPC, betont allerdings, es gehe nicht darum, ihnen bestimmte Gebiete zu überlassen. "Keinen Zentimeter. Geklärt werden muss aber, was die Hintergründe für die Angriffe sind."

Kriminalität schwächt das Land zusätzlich

Doch nicht nur Terror schwächt das Land, sondern auch bewaffnete Banden, die Vieh, Nahrungsmittel und Mopeds stehlen. Idrissa Ouedraogo (30), der in Nioko, einem Vorort der Hauptstadt, einen Gemischtwarenladen betreibt, kennt das Problem. Nach Einbrüchen dauerte es lange, bis die Polizei kam. Das Misstrauen gegenüber Fremden, gibt Ouedraogo zu, sei in den vergangenen Jahren ständig gewachsen. Deshalb hat er sich der Selbstverteidigungsmiliz Koglweogo - Wächter des Waldes - angeschlossen. "Wir schützen uns gegenseitig und bringen Diebe zur Polizei", sagt er und betont: "Seitdem ist es viel ruhiger geworden." Mittlerweile gibt es zahlreiche Gruppierungen, die offiziell anerkannt sind. Das zeigt: Der Staat hat längst sein Sicherheitsmonopol verloren.

Erhält keiner der 13 Kandidaten am Sonntag die absolute Mehrheit, kommt es zwei Wochen später zu einer Stichwahl. Für diesen Fall hat die Opposition vereinbart, den Zweitplatzierten zu unterstützen.


Quelle:
KNA