In Angola trifft Papst Benedikt XVI. auf ein Land mit vielen Problemen

Öl, Blut und Hoffnung

Papst Benedikt XVI. hat das zweite Kapitel seiner Afrikareise begonnen. Am Freitagmorgen reiste das Kirchenoberhaupt zwei Flugstunden weiter nach Angola. Das Land auf der anderen Seite des Äquators steht in der vatikanischen Reise-Dramaturgie nicht nur für den portugiesischsprachigen Teil Afrikas, sondern auch für Probleme der Globalisierung und das bittere Erbe der Bruderkriege, die viele Staaten südlich der Sahara prägten und prägen.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Der Papst küsst ein kleines Mädchen nach der Abschluss-Messe in Yaounde (KNA)
Der Papst küsst ein kleines Mädchen nach der Abschluss-Messe in Yaounde / ( KNA )

Hinter ihm liegen drei Tage in Kamerun - überschattet von einer fast ausschließlich in Europa geführten Debatte über Kondome, inhaltlich bestimmt von einem Fest des Glaubens in der kamerunischen Hauptstadt Yaounde und dem symbolischen Auftakt der Kontinentalsynode aller afrikanischen Bischöfe im Herbst im Vatikan. Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden stehen im Motto der elften Auslandsreise von Benedikt XVI.; Angola hat sie alle drei nötig.

Auch im Blick auf die Lage der Kirche betritt der Papst deutlich anderen Boden: Während in Kamerun die Geschichte des Katholizismus gerade einmal in die Zeit Bismarcks zurückreicht, blickt er in Angola auf mehr als ein halbes Jahrtausend zurück: Noch bevor Columbus Amerika erreichte, brachten portugiesische Seefahrer das Evangelium an Angolas Küste. Heute gehören dort gut 55 Prozent der Kirche des Papstes an, 15 Prozent protestantischen Gemeinschaften. Muslime stellen, anders als in Kamerun, eine verschwindende Minderheit von vielleicht 90.000 Gläubigen.

An Herausforderungen mangelt es der Kirche nicht
Doch an Herausforderungen mangelt es der Kirche nicht; viele rühren von dem langen, blutigen Konflikt, mit dem sich Angola von seiner portugiesischen Kolonialvergangenheit löste. In den vier Jahrzehnten bis zum Friedensschluss 2002 starben eine Million Menschen, zwei Millionen wurden zu Flüchtlingen. Als grausame Hypothek liegen noch immer an die elf Millionen Minen im Land verstreut und fordern weiterhin Opfer. Der Unabhängigkeitskrieg machte die Marxisten zur bestimmenden Kraft im Land; doch dank reicher Erdölvorkommen, die Angola bald zum größten Ölproduzenten südlich der Sahara machen werden, hat das Land faktisch eine kapitalistische Wende vollzogen.

Beide Themen adressierte der Papst gleich bei seiner Ankunft: Mit einem ungewöhnlich autobiografischen Verweis auf Erfahrungen in Deutschland warnte Benedikt XVI. vor Ideologien mit falschen Heilsversprechen, die den Menschen ein "Joch der Unterdrückung" auferlegten und zur Spaltung von Nationen führten. Mit dem gleichen Nachdruck verurteilte er das Recht des Stärkeren im Blick auf die Reichtümer des Landes - bislang fließen die Gewinne aus Öl- und Diamantenhandel Angolas in die Taschen weniger, im korrupten Staatshaushalt versickern nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds jährlich Millionen von Euro. Wieder sieht der Papst den Kitt der Gesellschaft und den Baustoff der Zukunft in den Werten, die das Evangelium anbietet.

Schon die erste Fahrt durch Luanda illustriert dem Papst, wovon er in den nächsten Tagen zu sprechen hat: Noch trister, noch armseliger als die Kapitale Kameruns präsentiert sich das Macht- und Wirtschschaftszentrum Angolas. Baukräne über der Silhouette der Hauptstadt, die über den Großteil ihrer Fläche aus elenden Baracken besteht, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Aufschwung zum "Wohlstand für alle" fern liegt. Das Kapital des Landes sind die Menschen, und auch hier begrüßen sie zu Zehntausenden den Papst als Hoffnungsbringer; doch ihre eigenen Ressourcen sind knapp.

Spitzenplätze nimmt Angola nur in traurigen Statistiken ein: Die Säuglingssterblichkeit ist mit Abstand so hoch wie nirgends sonst auf der Welt, jedes vierte Kind stirbt vor Erreichen des fünften Lebensjahrs, die Regierung unter dem marxistischen Präsidenten Jose Eduardo Dos Santos - ein studierter Petrochemiker - zählt zu den korruptesten überhaupt.

Größter Gottesdienst seiner einwöchigen Afrikareise
Benedikt XVI. wird in Angola den größten Gottesdienst seiner einwöchigen Afrikareise feiern. Zu der Schlussmesse auf dem Gelände einer ehemaligen Zementfabrik am Rand der Metropole werden Hunderttausende erwartet. Eigens will sich der Papst in diesen Tagen aber auch an Frauenbewegungen und an die mehreren zehntausend Laien-Katechisten wenden, von denen weiterhin ein Großteil der seelsorglichen Arbeit der angolanischen Kirche abhängt - trotz traumhafter Zahlen beim Priesternachwuchs. Nicht zufällig hat auch die einzige Jugendbegegnung dieser Reise in Angola ihren Platz.

Fast 44 Prozent der Einwohner sind jünger als 14; viele von ihnen haben eine schreckliche Vergangenheit, sind von Minen verstümmelt und kriegsversehrt. Sie will der Papst zum Aufbau einer besseren Zukunft ermutigen: "Siehe, ich mache alles neu", lautet das biblische Motto des Treffens.

Vor seinem Abschied in Kamerun hatte eine Pygmäenfamilie Benedikt XVI. eine Schildkröte geschenkt. Zur Überraschung der Journalisten reist das Tier tatsächlich in der Papst-Maschine mit nach Rom; dort soll es in den Vatikanischen Gärten oder am päpstlichen Sommersitz Castelgandolfo eine neue Heimat finden. Die Schildkröte, erklärten die Pygmäen dem Oberhirten, sei ein Symbol der Weisheit. Die wird er auch auf dem zweiten, schwierigen Teil seiner Afrikamission brauchen.