Anglikanischer Erzdekan ordnet Glaube von König Charles ein

"Er würdigt Tradition und Werte"

Königin Elizabeth II. war das weltliche Oberhaupt der Church of England. Wie es nach ihrem Tod für die anglikanische Kirche weitergeht und wie sich König Charles III. dort behaupten wird, erklärt Erzdekan Leslie Nathaniel.

Prinz Charles (l) und Königin Elizabeth II. im Juni 2022 / © Jane Barlow (dpa)
Prinz Charles (l) und Königin Elizabeth II. im Juni 2022 / © Jane Barlow ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Nachricht vom Tod der Queen vorgestern aufgenommen?

Erzdekan Leslie Nathaniel (Verantwortlicher der Church of England für Deutschland, Nord- und Osteuropa): Das war schon ein Schock. Zwar waren wir darauf vorbereitet, aber da sich ihr Gesundheitszustand in letzter Zeit zunehmend verschlechtert hat, konnten wir diesen Schock vielleicht ein bisschen besser verkraften.

DOMRADIO.DE: Was hat denn die Queen für die anglikanische Kirche bedeutet?

Nathaniel: Ihre verstorbene Majestät war in vielerlei Hinsicht ein Symbol für eine treue Nachfolgerin Christi. Sie plädierte für religiöse Toleranz und Vielfalt. Der Zeitpunkt des Todes und die Zeit der Trauer werden für alle Gläubigen eine Gelegenheit sein, über die Gnade, die Gott uns schenkt und die ewige Hoffnung, die er uns gibt, nachzudenken.

Für sie war die Lehre Christi und das Wissen um ihre Rechenschaftspflicht von großer Bedeutung. Sie war für alle Anglikaner ein Vorbild. Die Kirche verliert eine im tiefsten Herzen traditionsbewusste Christin.

Königin Elisabeth II. mit Ihrem Sohn Charles / © Frank Augstein (dpa)
Königin Elisabeth II. mit Ihrem Sohn Charles / © Frank Augstein ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie ist denn das weitere Prozedere? Wird ihr Sohn, König Charles III. jetzt automatisch das neue Oberhaupt der anglikanischen Kirche? Wie läuft das ab?

Nathaniel: Ja, er wird automatisch Oberhaupt, Supreme Governor der Kirche von England. Er wird zwar nicht in einem besonderen Gottesdienst dazu ernannt. Aber ab sofort wird in den täglichen Gottesdiensten für ihn als König gebetet. Heute wird er von einem besonderen Rat, dem Privy Council, zu dem auch Kirchenvertreter gehören, zum König deklariert.

Gestern, in einem Gedenkgottesdienst an Queen Elizabeth in der Saint Paul's Cathedral, bei dem auch die neue Premierministerin Liz Truss etwas aus der Bibel las, erklang zum ersten Mal seit über 70 Jahren die Nationalhymne mit "God save the King".

Die Kirche ist zusammen mit dem ganzen Land in eine zehntägige offizielle Trauerzeit eingetreten. Während dieser Zeit finden besondere Gebete statt. Die Flaggen wehen auf Halbmast und die Kirchen sind zu stiller Einkehr und für das Eintragen in Kondolenzbücher geöffnet.

Mitglieder der Kirche werden die Gebete als Trost empfinden, da sie von der Verheißung des ewigen Lebens sprechen.

Und vielleicht noch ein Punkt: Alle königlichen Ernennungen erfolgen von nun an im Namen von König Charles III. und Eide werden auf Seine Majestät, König Charles III. geleistet.

DOMRADIO.DE: Der Queen war ihr Glaube sehr wichtig. Wie religiös ist denn Charles? Wird sich die anglikanische Kirche unter ihm auch weiterentwickeln?

Nathaniel: Er ist ein überzeugter Anglikaner mit Liebe zum "Book of Common Prayer" ("Buch des gemeinsamen Gebetes" ist die Agende der Anglikanischen Kirche, Anm. d. Red.).

Er hat aber gleichzeitig wohl dank seines Vaters und Mitglieder der Familie seines Vaters, Interesse an der östlichen Orthodoxie. Er hat den Berg Athos besucht und hegt, denke ich, im Allgemeinen eine große Zuneigung zu den alten Griechen des Ostens.

In seiner ersten Ansprache an die Nation würdigte er die Tradition und die Werte, mit denen er aufwuchs und hat sich auch verpflichtet, im Geiste seiner Mutter allen Menschen in der Nation und dem Commonwealth treu zu dienen, egal welchen Glauben sie haben.

Das Interview führte Martin Mölder.

Anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das «Book of Common Prayer».

Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel (epd)
Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel ( epd )
Quelle:
DR