Angespannte Ruhe in der von Rebellen belagerten Stadt Goma im Kongo

Humanitäre Krise katastrophalen Ausmaßes

In der von Rebellen belagerten Stadt Goma im Osten Kongos hat am Donnerstag angespannte Ruhe geherrscht. UN-Truppen kontrollierten am Nachmittag gemeinsam mit den wenigen nicht desertierten kongolesischen Soldaten die weithin verlassenen Straßen, wie Bewohner berichteten. Bei Plünderungen und Schusswechseln in der Nacht kamen den Vereinten Nationen zufolge mindestens neun Menschen ums Leben.

 (DR)

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die neuen Kämpfe im Kongo und warnte vor schwerwiegenden humanitären Folgen. Hilfswerke appellierten an die Konfliktparteien und die Staatengemeinschaft. «Im Kongo droht eine humanitäre Krise katastrophalen Ausmaßes», sagte Ban vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats. Eine Sprecherin des UN-Kinderhilfswerks UNICEF in Goma erklärte, alleine in der Stadt müssten Zehntausende Vertriebene versorgt werden. «Die Menschen kampieren in Schulen, in Kirchen oder unter freiem Himmel.» Weitere Flüchtlingsströme gebe es im Norden der Stadt und jenseits der nahen Grenze nach Ruanda. Die Gesamtzahl der Vertriebenen im Osten Kongos wird auf bis zu einer Million geschätzt.

Der Rebellengeneral Laurent Nkunda hatte am Donnerstagmorgen eine Waffenruhe angekündigt. Im Umland von Goma wurde aber unterschiedlichen Angaben zufolge immer noch gekämpft. Die Kämpfe waren aber nicht so heftig wie am Vortag. Die UN-Mission im Kongo (MONUC) plante offenbar die Verlegung von Blauhelmsoldaten aus anderen Teilen des Landes, um die 800 in Goma stationierten Soldaten zu unterstützen.

Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) forderte eine Aufstockung der UN-Präsenz im Kongo. Für den Ausbruch der Gewalt seien nicht allein die Rebellen Nkundas verantwortlich.

«Alle Gruppen sind Teil der Gewalt, die dort stattfindet.» Die Vereinten Nationen haben im Rahmen des weltweit größten Blauhelmeinsatzes mehr als 17.000 Soldaten im Kongo stationiert.

Auch Ban machte die kongolesische Regierung für die Eskalation der Krise im Osten des Landes von der Größe Westeuropas mitverantwortlich. «Der Zusammenbruch jeglicher Disziplin innerhalb der kongolesischen Armee ist in besonderem Maße besorgniserregend», sagte er in New York. «Ich rufe die kongolesische Regierung auf, keine Mühe zu scheuen, um die Kontrolle über ihre Armee zurückzugewinnen.» Zugleich rief er die Präsidenten Kongos und Ruandas auf, gemeinsam an einem Ende der Krise zu arbeiten. Beide Regierungen werfen sich gegenseitig vor, Rebellenbewegungen im jeweils anderen Land zu unterstützen.

Die EU debattiert derweil über eine mögliche Entsendung von Truppen in den Kongo, um die UN zu unterstützen. Nach dem französischen Außenminister Bernard Kouchner machte am Donnerstag auch der CDU-Europaabgeordnete Karl von Wogau entsprechende Vorschläge. Die Gewalt im Kongo könnte die ganze Region der Großen Seen destabilisieren, warnte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses in Brüssel. Kouchner hatte vorgeschlagen, bis zu 1.500 Soldaten einzusetzen. Etliche EU-Staaten stehen diesem Vorhaben allerdings skeptisch gegenüber. Auch die Grünen-Verteidigungsexpertin Angelika Beer verlangte, die EU müsse sich um eine diplomatische Lösung bemühen.

Zugleich kündigte die EU-Kommission in Brüssel an, vier Millionen Euro Soforthilfe für die Not leidende Bevölkerung in Ostkongo bereitzustellen. Entwicklungskommissar Louis Michel strebe außerdem weitere Hilfen in Höhe von zwölf Millionen Euro an, sagte ein Sprecher. Michel hatte das zentralafrikanische Land am Mittwoch und Donnerstag besucht.

Das Welternährungsprogramm (WFP) empfing am Donnerstag neue Lebensmittellieferungen. «Wegen der anhaltenden Kämpfe im Umland sind wir aber nicht in Lage, Nahrungsmittel außerhalb Gomas zu verteilen», sagte ein WFP-Sprecher in Nairobi. Die meisten Hilfsorganisationen hatten ihre Büros am Donnerstag bereits evakuiert.

Rund 40 Mitarbeiter von Caritas international bleiben vorerst in der Goma. Die Hilfe für die Flüchtlinge habe wegen der Kämpfe jedoch unterbrochen werden müssen. Die Flüchtlingscamps seien von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Die drohende Einnahme der Stadt durch die Rebellen nannte der Caritas-Referatsleiter für Afrika, Christoph Klitsch-Ott, ein Desaster. «Das darf die Weltgemeinschaft nicht zulassen.» Goma sei die Drehscheibe für den gesamten Handel in der Region. Für die UN und die Hilfsorganisationen sei es der wichtigste Standort für die Organisation der Hilfe.

Nkunda, ein kongolesischer Tutsi, erklärt seine Rebellion mit der Verfolgung von Hutu-Extremisten, die für den Völkermord in Ruanda 1994 verantwortlich sind und sich im Ost-Kongo verstecken. Seine Truppen gelten als äußerst brutal. 2004 hatten sie die Stadt Bukavu eingenommen und Bewohner misshandelt, vergewaltigt und ermordet. Den UN war damals vorgeworfen worden, nicht eingegriffen zu haben.

Nkundas Truppen werden mutmaßlich von Ruanda unterstützt. Am Mittwoch hatten sich Berichte gehäuft, nach denen ruandische Truppen zeitweise in die Kämpfe verwickelt waren. Ruandas Regierungssprecher warf seinerseits der kongolesischen Armee vor, auf Ziele in Ruanda gefeuert zu haben.