Andrea Sawatzki über den Film "Zwei verlorene Schafe" und Priester-Coaching

"Man muss dafür brennen"

In dem ZDF-Film "Zwei verlorene Schafe" spielt Andrea Sawatzki die Schauspielerin Rebecca, die einen evangelischen Priester coachen soll. Mit domradio.de spricht sie über den Film, Priester-Coaching und ihren Glauben an Gott.

Andrea Sawatzki (l.) mit Birgitt Schippers (domradio.de-Redakteurin) (zdf)
Andrea Sawatzki (l.) mit Birgitt Schippers (domradio.de-Redakteurin) / ( zdf )

domradio.de: Kennen Sie Priester, die auf der Kanzel und in der Gemeinde einfach nicht überzeugen?

Andrea Sawatzki (deutsche Schauspielerin): Also ich hatte ja auch schon einige Kirchenbesuche in meinem Leben, und da gibt es schon den einen oder anderen Pfarrer, wo ich unten saß und dachte: Das ist kaum auszuhalten. Es gibt natürlich auch ganz Tolle. Aber den wenigen, die ich erlebt habe, die es nicht konnten, denen hätte ein Coaching bei Rebecca gut getan.  

domradio.de: Was ist das Problem des jungen Pfarrers Thaddäus im Fernsehfilm "Zwei verlorene Schafe?"

Sawatzki: Thaddäus ist der Sohn eines Bischofs und hat sich nicht freiwillig für diesen Beruf entschieden, sondern er wurde quasi gezwungen. Ihm ist dieser Beruf absolut fremd. Er kommt nicht mit ihm zurecht. Und er hat vor allem eine große Scheu vor den Menschen. Also er möchte gar nicht den Menschen irgendetwas vorpredigen. Er will lieber seine Ruhe. Ja, er ist absolut fehlbesetzt.  

domradio.de: Warum ist er neben Rebecca ein verlorenes Schaf?

Sawatzki: Weil er sich in einem Leben eingemauert hat, was ihm überhaupt nicht liegt. Er mag seinen Beruf nicht, aber er hat Angst seinem Vater zu widersprechen. Er ist völlig unfrei und dadurch unfähig, das Leben als Geschenk zu nehmen, was er als Pfarrer eigentlich müsste. Insofern ist er in meinen Augen ein Schäfchen - Gottes Kinder sind ja die Schäfchen -, das irgendwie verloren gegangen ist und einsam vor sich hinlebt, ohne den Gründen dafür nachzugehen. Er hat keinen Biss. Wie soll er da Trost spenden oder die Menschen von der Kanzel aus unterhalten? Er ist einfach ein bisschen wie eine Schlaftablette.

domradio.de: Darunter muss Rebecca bei ihrem Coaching auch leiden. Warum ist Rebecca ein verlorenes Schaf?

Sawatzki: Sie ist eine Frau, die ihren Beruf, die Schauspielerei, über alles liebt und die ihr Leben lang nie wirklich in diesem Beruf erfolgreich war. Sie hat wie Thaddäus ihren Beruf vielleicht zu Unrecht ergriffen, weil sie vielleicht nicht wirklich begabt ist. Sie hat ihr ganzes Leben diesem Beruf geopfert, ohne Erfolg zu haben. Sie hat ihr Kind mehr oder weniger verstoßen, hat kaum Freunde, weil sie von Vorsprechen zu Vorsprechen hetzt und sich sagt, ich bin begabt, ich muss es irgendwann schaffen. Jetzt ist sie aber auch schon Anfang 50. Also, sie ist verloren gegangen, weil sie zu verbissen ist. Durch Thaddäus wird sie aber auch ein Stück weit geöffnet und weitsichtiger.  

domradio.de: Mit dem lieben Gott hat sie aber nicht viel zu tun?

Sawatzki: Ich glaube, Rebecca ist absolut ungläubig und war noch nie in der Kirche. Und sie würde nie in eine Kirche gehen und einen Pfarrer coachen, wenn ihr nicht die Vermieterin im Nacken säße.

domradio.de: Was haben Sie über Priester in dieser Komödie gelernt?

Sawatzki: Ich weiß gar nicht, ob Priester, wenn sie begabt sind, überhaupt ein Coaching brauchen. Es braucht eine Leidenschaft und eine große Liebe für die Menschen, die da unten sitzen, zuhören und Trost brauchen. Und wenn man das nicht hat, dann, glaube ich, geht’s nicht. Es muss so eine Wärme von der Kanzel strömen. Das hat man oder man hat es nicht. Man muss so eine Grundbegabung als Priester haben. Man muss dafür brennen, den Menschen durch den Tag zu helfen.

domradio.de: Wie wichtig ist, dass Priester auch Körpersprache lernen, um mit ihren Gesten den Kirchenraum zu füllen?

Sawatzki: Das ist natürlich eine Überwindung, die Arme so weit zu öffnen, wie in dem Film, in dem Rebecca es Thaddäus beibringen will, und er kriegt es überhaupt nicht hin, weil er viel zu steif und verklemmt in seiner Körpersprache ist. Man braucht ein großes Vertrauen zu den Menschen da unten, um es zu wagen, die Arme so weit auszubreiten. Und man braucht auch Selbstbewusstsein.

domradio.de: Können Sie es sich vorstellen, selbst einmal Priester zu coachen?

Sawatzki: Nicht wirklich, aber mich würde nach diesem Film schon reizen, noch einen anderen Coach zu spielen. So habe ich neulich von Manager-Coaching gehört. Das finde ich lustig, wenn der Coach versuchen muss, den Managern Humor beizubringen. Also was an sich unmöglich ist, denn entweder hat man Humor oder nicht.

domradio.de: Brauchen nicht auch Pfarrer ein wenig Humor? Es geht ja um die Frohe Botschaft…

Sawatzki: Es gibt bestimmt den einen oder anderen humorvollen Pfarrer. Das ist dann natürlich die Krönung, das ist herrlich. Ich glaube, mit Humor kriegt man jeden, insofern wäre das für einen Pfarrer erstrebenswert. Aber das ist genau wie mit der Sprechtechnik – entweder man kann es oder eben nicht. Da kann man nur Glück haben, wenn man so einen Pfarrer in seiner Kirche hat, der sowohl sprechen kann als auch ab und zu einen Witz auf Lager hat, obwohl er in der Kirche ist.

domradio: Haben Sie noch einen Draht zu Gott?

Sawatzki: Ich auf jeden Fall. Ich bin schon gläubig. Und ich hoffe sehr darauf, dass es einen Gott gibt, auch wenn er viele Menschen sehr im Stich lässt, finde ich. Puh, das wird man nie begreifen, wieso das so sein muss, wieso das so ist. Aber ich hoffe, dass er meine Familie beschützt. Aber vielleicht ist es auch gut, dass die Menschen nicht alles durchschauen, begreifen und im Grunde nichts wissen.

Die ZDF-Komödie "Zwei verlorene Schafe" wird am Donnerstag, 20. Oktober, um 20.15 Uhr ausgestrahlt.

Das Interview führte Birgitt Schippers.


Quelle:
DR