Ana Preußer schätzt den Papst von gemeinsamen Hilfsprojekten in Peru

"Er verstand sich immer als Diener der Menschen"

Für ihren jahrzehntelangen ehrenamtlichen Einsatz hat sie schon zahlreiche Auszeichnungen von Staat und Kirche erhalten. Doch mit nichts sei aufzuwiegen, Leo XIV. schon lange vor seiner Wahl in den Slums von Peru begegnet zu sein.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Die Kinder trifft die Armut in den Slums von Peru am härtesten. / © Preußer (privat)
Die Kinder trifft die Armut in den Slums von Peru am härtesten. / © Preußer ( privat )

DOMRADIO.DE: Frau Preußer, Sie stammen gebürtig aus Peru und engagieren sich seit 40 Jahren für Hilfsprojekte in Ihrer Heimat, wo Armut und deren Bekämpfung ein großes Thema sind. Was war das für ein Gefühl, als sich Papst Leo XIV. kurz nach seiner Wahl auf der Loggia des Petersdoms der Menschenmenge gezeigt hat und Sie kaum Ihren Augen trauten?

Ana Maria Preußer engagiert sich seit 40 Jahren für die Armen in ihrem Heimatland Peru.  / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ana Maria Preußer engagiert sich seit 40 Jahren für die Armen in ihrem Heimatland Peru. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ana Maria Preußer (Mitglied des Orga-Teams vom Runden Tisch in St. Johann Baptist Refrath): Als es am Abend des 8. Mai hieß, dass weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufsteigt, war ich gerade bei der Familie meiner jüngsten Tochter. Wie gebannt saßen wir vor dem Fernsehen. Erst kam Kardinal Dominique Mamberti, den man leider gar nicht gut verstehen konnte. Ich hörte zwar den Vornamen, aber der Nachname ging zunächst unter. Dann sah ich das Vortragekreuz und gleich darauf den Papst und konnte nur noch "Der Robert!" rufen. Meine Tochter meinte ungläubig: Mama, sag bloß, Du kennst ihn? Ja klar, antwortete ich und war völlig außer mir. Ich habe in der Corona-Zeit ein super Projekt mit ihm durchgeführt. Ein toller Mensch. Ich war in diesem Moment völlig überwältigt und habe nur noch geweint.

Die Regierung kümmert sich nicht um die arme Bevölkerung.  / © Gatzweiler (privat)
Die Regierung kümmert sich nicht um die arme Bevölkerung. / © Gatzweiler ( privat )

Seit ich in Deutschland lebe, versuche ich, hier für die Bedürftigen, Kranken und Menschen, die in Peru als Außenseiter gelten, die Stimme zu sein, da sie sonst selbst keinerlei Lobby hätten. Niemand kennt die Armen aus dem Anden-Hochland, niemand weiß um ihre Verzweiflung. In den vielen Jahren, die ich mich bereits für sie einsetze, bin ich mit allen Institutionen in Kontakt gekommen, die mein Heimatland unterstützen: Adveniat, Misereor, Kirche in Not, Caritasverband und vor allem auch das Erzbistum Köln mit seiner Abteilung Weltkirche.

DOMRADIO.DE: Wie kam es denn dazu, dass Sie in der Vergangenheit mit dem heutigen Papst zu tun hatten? 

Bischof Robert Prevost bei einem Besuch in einem überfluteten Armenviertel.  (Diözese Chiclayo)
Bischof Robert Prevost bei einem Besuch in einem überfluteten Armenviertel. / ( Diözese Chiclayo )

Preußer: Eines Tages – es war mitten in der Pandemie 2021 – bekam ich eine Whatsapp: "Hier ist Robert", stand da. Und ich dachte noch: Welcher Robert? Der Absender bezog sich auf Pater Edwin, einen durch einen Überfall querschnittsgelähmten Priester in der peruanischen Diözese Chiclayo, den ich sehr gutkannte und der ihm, wie er mir mitteilte, meine Nummer gegeben hatte. Robert duzte mich und schrieb mir auf Spanisch: "Ich hoffe, Du kannst mir helfen. Die Menschen sterben mir hier auf der Straße unter den Händen weg. Sie haben Atemnot haben und ringen nach Luft. Viele drohen zu ersticken. Könnt Ihr eine Sauerstoffanlage finanzieren? Ich selbst habe kein Geld dafür. Kannst Du mir helfen?" 

Ich würde es versuchen, schrieb ich zurück, hätte aber die Bitte, dass er sich ausweisen würde. Schließlich kannte ich einige Roberts und wollte sicher gehen, dass die Anfrage auch seriös war. Daraufhin hat er mir seinen Ausweis geschickt, aus dem ich ersehen konnte, dass er der Ortsbischof von Chiclayo war. Rückblickend ist mir dieser Vorgang natürlich furchtbar peinlich. Man stelle sich vor, ich bitte das Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken – was er zwar damals noch nicht war, aber eben immerhin doch Bischof – darum, dass er seine Identität bestätigt. Nicht auszudenken. 

Ana Maria Preußer

"Diesen Chat habe ich bis heute auf meinem Smartphone gespeichert und rufe ihn mir seit Donnerstag immer wieder ab, weil ich es einfach nicht fassen kann und mich die Sätze des heutigen Papstes mitten ins Herz treffen."

Bischof Robert Prevost beim Austeilen von Essen in der Diözese Chiclayo. (Diözese Chiclayo)
Bischof Robert Prevost beim Austeilen von Essen in der Diözese Chiclayo. / ( Diözese Chiclayo )

Wir sind dann überein gekommen, dass er mir einen Brief schreibt, mit dem ich wegen seines Anliegens beim Erzbistum vorstellig werden könne. Er sagte noch: "Du kannst Änderungen und Ergänzungen vornehmen – ganz so wie Du denkst, dass ein solches Bittgesuch formuliert sein sollte." In der Tat erreichte mich kurze Zeit später dann besagter Brief, mit dem ich dann in die Hauptabteilung Weltkirche zu Herrn Nadim K. Ammann gegangen bin, der damals schon der verantwortliche Abteilungsleiter war, während sich mit seinem Vorgänger, Dr. Rudolf Solzbacher, 2011 einmal zusammen in Peru gewesen bin. Das Projekt wurde genehmigt, und ich konnte Bischof Robert die frohe Mitteilung machen, dass diese Sauerstoffaufbereitungsanlage in Auftrag gegeben werden könne. Er bedankte sich überschwänglich: "Du hast eine Brücke gebaut, die für mich sehr wichtig ist." "Ich habe nur einen Kontakt hergestellt", schrieb ich zurück. Und er dann wieder: "Nein, Du warst sehr viel mehr als ein Kontakt. Muchas gracias, liebe Ana Maria!" Diesen Chat habe ich bis heute auf meinem Smartphone gespeichert und rufe ihn mir seit Donnerstag immer wieder ab, weil ich es einfach nicht fassen kann und mich die Sätze des heutigen Papstes mitten ins Herz treffen.

In der Coronazeit nimmt Bischof Robert Prevost eine Hilfslieferung aus Europa in Empfang. (Diözese Chiclayo)
In der Coronazeit nimmt Bischof Robert Prevost eine Hilfslieferung aus Europa in Empfang. / ( Diözese Chiclayo )

DOMRADIO.DE: Können Sie dieses Projekt, das dann aufgrund Ihrer Intervention realisiert werden konnte, näher beschreiben?

Preußer: Konkret wurde eine Kabine mit großen Sauerstoffgeräten benötigt, aus denen Sauerstoff in kleinere Flaschen abgefüllt werden konnte, um damit Menschenleben zu retten. Wer diesen Bischof bei seiner Arbeit sehen konnte – zurzeit kursiert ja das eine oder andere Foto – konnte feststellen, dass er auf keinen Fall jemand war, der sich seines Amtes geschweige eines gewissen Prestiges bewusst war. Ganz im Gegenteil: Er verstand sich immer als Diener der Menschen. Armut hat er hautnah erlebt, er hat auf dem Boden geschlafen oder mit Gummistiefeln mitten im Schlamm gestanden. Für nichts war er sich zu schade. Von daher bin ich zutiefst dankbar, dass ich in diesem konkreten Fall helfen konnte und Bischof Robert den Menschen, die damals in Corona um ihr Leben gekämpft haben, mit den Sauerstoffflaschen Linderung verschaffen konnte und manchen vor dem sicheren Tod gerettet hat. Wenn ich darüber nachdenke, erfüllt mich das noch heute mit großer Freude.

DOMRADIO.DE: Die Hilfe der deutschen Kirche ist auch sonst in Peru sehr präsent. Welche Rolle spielen Glaube und Kirche denn grundsätzlich in Peru?

Bischof Robert Prevost präsentiert stolz die Sauerstoffanlage, die Köln finanziert hat.
Bischof Robert Prevost präsentiert stolz die Sauerstoffanlage, die Köln finanziert hat.

Preußer: Ich selbst wurde in eine wohlhabende Familie in Lima hineingeboren. Als ich dann gefirmt wurde, gehörte zur Vorbereitung, eine Art Sozialpraktikum zu machen. Ich habe mich damals für den Besuch eines Armenviertels entschieden, wie es sie viele außerhalb der Metropole Lima gibt, wo Menschen in Wellblechhütten oberhalb der Stadt wie in Ghettos mehr hausen als wohnen. Als ich bei einer Familie Kinder in einem Blechtrog baden sollte, wurde ich im Anschluss krank. So einen Schmutz hatte ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Da ich danach einen Asthmaanfall bekam, sind meine Eltern am nächsten Tag mit mir in die Schule zur Direktorin, einer Ursulinin, gegangen, um mich von diesem Projekt befreien zu lassen. Ich werde nie vergessen, dass mich meine Klassenlehrerin daraufhin zur Seite nahm und sagte: Annemarie, Du hast nichts dafür getan, dass es Dir in Deiner Familie so gut geht, und diese Kinder haben nichts dafür getan, dass sie in diese Armut hinein geboren wurden und heute im Dreck spielen müssen. 

Ana Maria Preußer

"Gäbe es die Kirche nicht, wären die Armen noch ärmer. Sie blieben auf sich gestellt und würden sterben."

Diese Worte haben sich mir eingebrannt, weil mir diese Schwester damals die Augen für eine Realität geöffnet hat, wie wir sie in ganz Peru haben. Aber wir Peruaner haben auch einen starken Glauben, erstrecht die Armen in den Bergen Perus, wo immer Smog herrscht, die Menschen in erbärmlichen Verhältnissen ums Überleben kämpfen und oft nicht das Nötigste haben. 

Außerhalb der Großstadt Lima leben die Armen in primitiven Wellblechhütten. / © Gatzweiler (privat)
Außerhalb der Großstadt Lima leben die Armen in primitiven Wellblechhütten. / © Gatzweiler ( privat )

Bedürftige hoffen immer auf Gott; darauf, dass er sie nicht vergessen wird. Es ist diese Hoffnung, von der Papst Franziskus immer gesprochen hat, die die Menschen in meiner Heimat am Leben hält. Und die Kirche ist die einzige Institution, die sich an ihre Seite stellt, während die Regierung für die Armen keinen Finger rührt. Gäbe es die Kirche nicht, wären die Armen noch ärmer. Sie blieben auf sich gestellt und würden sterben. 

DOMRADIO.DE: Wie würden Sie den Menschen Robert Francis Prevost beschreiben? Wie haben Sie ihn in einem solchen Wirkungsfeld erlebt?

Preußer: Er ist den Menschen zugewandt, von großer Demut, kann gut zuhören, ist sanft, aber durchaus auch durchsetzungsstark und – wie gesagt – er ist ein Diener seiner Kirche und der Menschen. Schon in seinen Gesichtszügen liegt Empathie. Man schaut ihn an und denkt: Dieser Mensch ruht in sich selbst. Auf der Loggia kämpfte er sichtlich mit seiner Rührung. Das alles hat ihn tief bewegt, was ihm deutlich anzusehen war. Ich glaube, die halbe Welt hat in diesem Moment mit ihm geweint. Man muss sich ja auch die Bürde vorstellen, die ihm mit dem Papsttum auferlegt wurde. 

Als er noch apostolischer Administrator von Callao war, einer Diozöse am Hafen von Lima, sind wir uns einmal persönlich bei einer Pastoralreise begegnet. Das war lange vor unserem Whatsapp-Kontakt vor vier Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits mit Bischof Sebastian Ramis aus dem Bistum Huamachuco befreundet, mit dem ich unterwegs war, als in Lima gerade die peruanische Bischofskonferenz tagte, wo ich dann bei Übersetzungstätigkeiten half. Bei dieser Gelegenheit habe ich Bischof Robert Prevost dann auch die Hand gegeben. Allerdings war er für mich damals noch ein Bischof von vielen. Und als wir dann eben Jahre später persönlich miteinander zu tun bekamen, habe ich gedacht, was er doch für ein feiner Mensch ist. Der Gedanke an ihn berührt mich heute tiefer denn je.

DOMRADIO.DE: Dem Nachfolger auf dem Stuhl Petri schlägt momentan eine Welle der Sympathie entgegen. Die Menschen auf dem Petersplatz haben am Abend seiner Wahl geradezu euphorisch reagiert. Nun setzt die Welt große Hoffnung in dieses Pontifikat. Jedes Zeichen der letzten Tage wurde bereits akribisch analysiert und kommentiert. Was glauben Sie aus Ihrer Beobachtung heraus, welche Schwerpunkte wird Papst Leo XIV. setzen?

Oft liegt Smog über den Bergen von Lima. / © Gatzweiler (privat)
Oft liegt Smog über den Bergen von Lima. / © Gatzweiler ( privat )

Preußer: Er wird die Linie von Papst Franziskus fortsetzen – wenn auch in einer anderen Form. Jeder Mensch hat seinen eigenen Stil, und ich finde gut, dass er seinen Vorgänger nicht kopiert. Aber ich glaube, dass Papst Leo XIV. starke Akzente in Ländern setzen wird, wo viel Armut herrscht. Er wird sich sehr für den Frieden einsetzen, was sich bereits in seiner ersten Ansprache abzeichnete. Es haben ja bereits Gespräche stattgefunden, zu denen er den Anstoß gegeben hat. 

Ana Maria Preußer

"In der Coronazeit ist er auf einem Pick up mit der Monstranz durch die Straßen von Chiclayo gefahren, damit die Menschen ihre Angst vor dem Virus verlieren."

Dann wird er ein Papst sein, der nach dem Evangelium lebt. Jesus Christus hat in seinem Leben einen ganz besonderen Platz. Schon in Peru hat Bischof Robert versucht, den Menschen Jesus nahe zu bringen. In der Coronazeit ist er auf einem Pick up mit der Monstranz durch die Straßen von Chiclayo gefahren, damit die Menschen ihre Angst vor dem Virus verlieren. Er sagt: Wenn wir an Jesus Christus glauben, brauchen wir keine Angst zu haben. Er macht das mit einer solchen Überzeugung, so dass er ein Mensch ist, wie ihn die Kirche heute dringend braucht. 

Ana Maria Preußer sorgt sich vor allem um die Kinder im Anden-Hochland (privat)
Ana Maria Preußer sorgt sich vor allem um die Kinder im Anden-Hochland / ( privat )

Hinzu kommt, dass Papst Leo XIV. – für mich immer noch Bischof Robert – Missionar war und ihn das stark geprägt hat. Er hat sich mit den Armen gemein gemacht, sie mit Lebensmitteln versorgt und Trost geschenkt. Er ist ein Ordensmann, ein tiefgläubiger Mensch. Gleichzeitig versteht er sich auch auf Diplomatie, denn er lebt ja schon eine Weile im Vatikan, war bislang zuständig für die Bischöfe und hat da mitunter auch harte Entscheidungen getroffen – gerade auch in Bezug auf seine Mitbrüder in den USA. Aber er wird der Kirche andere Rahmenbedingungen geben. Und die brauchen wir. Ich bin überzeugt davon, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wird diese Kirche eine andere sein und auch eine Zukunft haben.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.

Quelle:
DR

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