Am Wochenende begegnen sich im Weimarer Hotel "Elephant" Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald

Ein aufschlussreicher Erinnerungsort

In Buchenwald treffen sich 65 Jahre nach der Befreiung die letzten noch lebenden Lagerinsassen. Für Unterbringung und Begegnung soll diesmal das traditionsreiche Hotel "Elephant" am Weimarer Markt dienen. Das Hotel hat eine düstere Vergangheit.

Autor/in:
Thomas Bickelhaupt
 (DR)

Als Direktor Volkhard Knigge von der KZ-Gedenkstätte Buchenwald den früheren Häftling Jorge Semprun bei einem Weimar-Besuch vor einigen Jahren in das Hotel "Elephant" einladen wollte, war ihm gar nicht wohl dabei. Denn das traditionsreiche Haus war zur NS-Zeit Nobelherberge für Nationalsozialisten. Doch der spanische Gast reagierte überraschend gelassen: "Mach dir keine Sorgen", sagte er, "Hitler ist tot und wir leben noch - und ich habe gehört, der Koch soll sehr gut sein."

Semprun ist einer von rund 150 KZ-Überlebenden, die an diesem Wochenende zum 65. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers an den Ort ihres Leidens zurückkehren wollen. Dabei soll ihr Gedenken nicht auf das ehemalige Lagergelände beschränkt bleiben.

Ein Zeichen
Dabei sei das Hotel Elephant für das diesjährige Gedenken ganz bewusst gewählt worden, sagt Direktor Knigge. Damit werde die einstige Nobelherberge der Nazis vorübergehend zur Heimstatt für diejenigen, die sie nie hätten betreten sollen - schon gar nicht, um Überleben und Wiedergewinnung von Freiheit und Menschenwürde zu feiern. Dies sei zugleich "ein Zeichen dafür, wem Würdigung und Ehre gebührt", fügt Knigge hinzu.

Das Gasthaus am Weimarer Markt wurde 1561 erstmals erwähnt und galt von jeher als markanter Treffpunkt. Seiner Bedeutung in der Goethezeit setzte der Schriftsteller Thomas Mann (1875-1955) mit "Lotte in Weimar" ein einzigartiges literarisches Denkmal. Doch als der Roman 1939 in Manns amerikanischem Exil erschien, gab es das historische Hotel schon nicht mehr: Das angeblich baufällige Gebäude wurde auf Veranlassung Hitlers 1937 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Persönliche Suite für den "Führer"
Das 1938 eröffnete Haus mit einer persönlichen Suite für den "Führer" behielt lediglich den alten Namen. Der neue "Elephant" sollte die technische Modernität und Leistungsfähigkeit des NS-Regimes verdeutlichen, aber auch auf die enge Verbindung Hitlers und der nationalsozialistischen Bewegung mit den großen deutschen Kulturtraditionen verweisen, sagt Geschäftsführer Paul Kernatsch.

Zudem sei es den Nationalsozialisten darum gegangen, an diesem Ort auch die "innige Gemeinschaft von Volk und Führer" erlebbar zu machen, etwa mit der volkstümlichen Gaststube im Keller. Und bis 1945 seien immer wieder "verdiente Volksgenossen" mit einem Aufenthalt im Hotel belohnt worden.

Janusköpfige Geschichte Weimars
Vor diesem Hintergrund sieht Direktor Knigge das Haus als einen aufschlussreichen Erinnerungsort für die janusköpfige Geschichte Weimars. Die Stadt der deutschen Klassik war schon 1926 Schauplatz des ersten "Reichsparteitages" der NSDAP mit 7.000 Teilnehmern. Ab 1933 wurde Weimar von den Nazis systematisch zur Hauptstadt des neuen "Schutz- und Trutzgaus Thüringen" umgestaltet. Für die Nationalsozialisten gehörte die Stadt zu den bevorzugten Orten ihrer Selbstdarstellung, in dem Hitler bei seinen vielen Besuchen von der Bevölkerung immer wieder begeistert empfangen wurde.

Ein sichtbares Zeichen der Umgestaltung war neben dem neuen Hotel vor allem das gigantische "Gauforum". In dem Verwaltungszentrum wurden Konzentrationslager, Zwangsarbeit, Deportation und Vernichtung geplant. Die Verbrechen seien damit in der Mitte der deutschen Gesellschaft vorbereitet "und auch zu einem großen Teil unter aller Augen und der Beteiligung vieler vollzogen" worden, betont Knigge mit Hinweis auf ein Wort des österreichischen Schriftstellers und ehemaligen Buchenwald-Häftlings Jean Amery (1912-1978).

Zu den unterschiedlichen Formen von Entwürdigung und Ausgrenzung als Vorläufer der Massenmorde gehörte bereits 1933 ein erstes KZ bei Weimar. Zwei Jahre später standen an den Zufahrtsstraßen Schilder mit den Aufschriften "Raus" und "Juden nicht erwünscht". Wenige Wochen nach der Grundsteinlegung für das "Gauforum" trafen die ersten 149 Häftlinge des späteren KZ Buchenwald auf dem Ettersberg ein. Bis zur Befreiung des Lagers am 11. April 1945 starben dort mindestens 56.000 der insgesamt mehr als 250.000 Häftlinge.