Mittwoch wäre ihr Tag gewesen: Am 1. November 2006 hätte die EU-Verfassung frühestens in Kraft treten können - wenn bis dahin alle EU-Staaten das Vertragswerk ratifiziert hätten. Wenn. Denn seit Frankreich und die Niederlande den Verfassungsentwurf im Frühjahr 2005 in Volksabstimmungen ablehnten, ist der Geburtstag in weite Ferne gerückt.
Allgemeine Überzeugung fehlte von Beginn an
Begonnen hatte alles mit dem EU-Gipfel im Dezember 2000 in Nizza. In zähen, nächtelangen Verhandlungen versuchten die Staats- und Regierungschefs, die EU fit zu machen für die EU-Erweiterung von 15 auf 25 und dann 27 Mitglieder. Da wurde um die Zahl der EU-Kommissare gerungen, über die Zahl der Europaabgeordneten gefeilscht, die Gewichtung der einzelnen Staaten im EU Ministerrat festgelegt. Richtig überzeugt vom Ergebnis war zum Schluss niemand.
Ein Jahr später einigten sich die vom Nizza-Gipfel um den Schlaf gebrachten Staats- und Regierungschefs deshalb auf eine neue Methode: Ein Konvent sollte Vorschläge für eine demokratischere, transparentere und entscheidungsfreudigere EU ausarbeiten. Dem Gremium unter Vorsitz des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing sollten Europaabgeordnete und Mitglieder der nationalen Parlamente in gleicher Zahl angehören.
"Vertrag über eine Verfassung für Europa"
Der Konvent nahm seine Aufgabe ernst. In Anhörungen, Arbeitsgruppen, Plenardiskussionen und mit immer neuen Entwürfen näherten sich die Konventsmitglieder mehr und mehr einem Ziel, das ihnen so niemand aufgetragen hatte: Sie schrieben eine Verfassung für Europa. Das Wort "Verfassung", zunächst nur verschämt von engagierten Europa-Befürwortern gebraucht, gelangte sogar in den offiziellen Titel. "Vertrag über eine Verfassung für Europa", heißt das im Juni 2003 vorgelegte Dokument. Um viele Fragen war zuvor gerungen worden; so auch darüber, ob ein Gottesbezug in die EU-Verfassung aufgenommen werden sollte oder ob zumindest das "jüdisch-christliche Erbe" Europas in der Präambel zu erwähnen sei. Beides wurde abgelehnt.
Auch die EU-Staats- und Regierungschefs debattierten die Verfassung abermals - zunächst vergeblich. Im Dezember 2003 brach Italiens damaliger Ministerpräsident Silvio Berlusconi als EU-Ratspräsident einen Gipfel brüsk ab, als sich eine Einigung nicht erreichen ließ. Erst ein halbes Jahr später kamen die nötigen Kompromisse zu Stande. Die Staats- und Regierungschefs blieben aber dabei: Religion kommt in der EU-Verfassungspräambel nicht vor. Vor allem Frankreich und Belgien widersetzten sich. Feierlich unterzeichnet wurde der Verfassungsvertrag Ende Oktober
2004 in Rom.
Ende mit dem Nein Frankreichs und der Niederlande
Lange Gesichter ein gutes halbes Jahr später. Nach dem "Nein" in Frankreich und den Niederlanden wurde deutlich, dass sich niemand auf ein Scheitern der Verfassung vorbereitet hatte. Die Staats- und Regierungschefs verordneten eine "Denkpause", die noch andauert. Gleichwohl setzten einige EU-Staaten ihren Ratifizierungsprozess fort: Angenommen wurde der Vertrag bislang von 15 der 25 EU-Staaten. Finnland will vor Jahresende folgen.
Auch Bulgarien und Rumänien, die der EU am 1. Januar beitreten, haben schon ratifiziert. Zwei Drittel der EU-Staaten stehen also hinter dem Dokument. Es fehlen noch Länder wie Großbritannien, Dänemark, Irland und Polen, die als euroskeptisch gelten.
Nun soll die deutsche EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 versuchen, Wege aus der Krise zu zeigen. Vorschläge gibt es viele. Etwa, den sperrigen Teil drei der Verfassung abzutrennen, der sich mit den Politkbereichen und der Arbeitsweise der EU befasst. Andere wollen einen "Minivertrag", der die wichtigsten Punkte knapp bündelt. Wieder andere plädieren im Gegenteil dafür, die Verfassung um moderne Themen wie den Klimawandel anzureichern, um die Zustimmung der Bürger zu erhalten. Optimisten glauben, dass bis zu den Europawahlen im Sommer 2009 eine Einigung möglich ist. Pessimisten und Euroskeptiker halten auch diesen Termin für illusorisch.
Am Mittwoch hätte die EU-Verfassung in Kraft treten sollen
Der Geburtstag ist in weite Ferne gerückt
Mittwoch wäre ihr Tag gewesen: Am 1. November 2006 hätte die EU-Verfassung frühestens in Kraft treten können - wenn bis dahin alle EU-Staaten das Vertragswerk ratifiziert hätten. Wenn. Denn seit Frankreich und die Niederlande den Verfassungsentwurf im Frühjahr 2005 in Volksabstimmungen ablehnten, ist der Geburtstag in weite Ferne gerückt.
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