Im Todesfall spricht eine Trauerrednerin statt einem Priester, bei einer Hochzeit funktioniert das analog. Die Räumlichkeiten bei Bestattern haben meist einen gewissen "Kirchentouch". Der Grund dafür liege auf der Hand, sagt Andrea Jäggi-Staudacher: Die meisten würden diese Rituale sonst nicht verstehen. "Die Menschen wollen etwas, das ihnen schon vertraut und begreiflich ist."
Die Schweizer Designerin schreibt momentan an ihrer Doktorarbeit über die Gestaltung von Abschiedsräumen. Gemeint sind Orte, an denen Tote für ihre Angehörigen aufgebahrt werden. "Ein würdevolles Abschiednehmen ist für die meisten Hinterbliebenen zentraler Bestandteil der Trauerbewältigung - und dafür braucht es eine warmherzige Atmosphäre2, sagt die 36-Jährige. Eben diese sei in den meisten Trauerhallen aber nicht gegeben.
Interesse an Aufbahrung nimmt wieder zu
Sie selbst habe erst begonnen, sich mit dem Thema Tod und Abschied auseinanderzusetzen, als vor einigen Jahren ihr Großvater starb, erinnert sich die zweifache Mutter. "Der Raum, in dem er beim Bestatter aufgebahrt war, war eiskalt und lieblos gestaltet. Kein Ort, an dem man verweilen wollte und in Ruhe Abschied nehmen konnte. Meine Großmutter kam mit ihrem Rollstuhl gar nicht nahe an ihren verstorbenen Mann heran."
Aufbahrungen sind in Deutschland grundsätzlich in zwei Formen zulässig: Es gibt die geschlossene und die offene Variante. Bei letzterer ist der Sargdeckel geöffnet, so dass die Angehörigen den Verstorbenen sehen oder auch noch einmal berühren können. "Wir bemerken seit dem Ende der Corona-Pandemie eine deutlich gestiegene Nachfrage an Aufbahrungen", sagt Simon Walter, Kulturbeauftragter des Bundesverbands Deutscher Bestatter. "In bestimmten Fällen, bei schwerer Krankheit oder Unfällen, ist eine offene Aufbahrung jedoch nicht ohne Weiteres möglich."
Fristen und Hygienevorschriften beachte.
Auch eine Aufbahrung zu Hause sei möglich. Dazu gibt es allerdings in den Bundesländern jeweils unterschiedliche Fristen zu beachten. Wenn ein Todesfall - wie heute meist üblich - nicht zu Hause eintritt, kann auch ein Transport des Leichnams organisiert werden. Dabei müssten jedoch bestimmte Hygienevorschriften eingehalten werden.
Trotz der gestiegenen Nachfrage werde der Wunsch nach einer Aufbahrung - insbesondere zu Hause - in Deutschland aber weiterhin eher selten geäußert, sagt Walter. "Für viele hierzulande ist die Vorstellung, einen Toten im Haus zu haben oder ihn so darzustellen immer noch eher befremdlich."
Friedlich, nicht abstoßend
Auch deshalb sei es ihr wichtig, zu zeigen, dass tote Körper weder schmutzig noch eklig sind, sagt Jäggi-Staudacher. Im Gegenteil: Zu sehen, dass jemand Frieden gefunden habe, könne dabei helfen, mit dem Schmerz über den Verlust umzugehen.
Als Designerin habe sie zudem das kommerzielle Potenzial interessiert, das dahinter stecke: "Menschen, die trauern, haben ganz individuelle Bedürfnisse. Raumdesign kann darauf eingehen und hilfreich wirken." Vieles sei - religiös und kulturell bedingt - sehr unterschiedlich. Es gebe aber feste Anhaltspunkte, die bei der Gestaltung berücksichtigt werden könnten: Temperatur, Licht, Größe - es mache beispielsweise einen gewaltigen Unterschied, ob der ganze Raum abgekühlt werde oder nur der Leichnam selbst. Bei Zimmertemperatur falle es vielen Angehörigen leichter, etwas zu verweilen. Außerdem wirke ein Raum mit Tageslicht viel weniger eng und bedrückend.
Bedürfnis nach Spiritualität ist "riesig"
Damit auf verschiedene Bedürfnisse eingegangen werden kann, sei es auch wichtig, Abschiedsräume flexibel auszustatten. "Grundsätzlich sollten Trauerhallen konfessionslos sein, aber auch das Anbringen religiöser Symbolik sollte möglich bleiben", sagt die Expertin. "Für viele ist der religiöse Aspekt extrem wichtig." Dies könne sich unterschiedlich äußern. So sei es für Hinduistinnen und Hinduisten beispielsweise wichtig, dass viele Menschen im Raum Platz hätten und auch bei der Verbrennung eines Leichnams anwesend sein könnten. Momentan sind diese Möglichkeiten gerade in Krematorien sehr begrenzt.
Bei Experimenten mit Schauspielern als Leichen und Testpersonen als Hinterbliebenen sei eines besonders auffällig: ein riesiges Bedürfnis nach Spiritualität, berichtet Jäggi-Staudacher. "Wir brauchen Rituale, um Abschied nehmen zu können."