Als ein evangelischer Pastor Honecker Asyl im Pfarrhaus gab

Uwe Holmer schrieb mit seinem Sinn für Vergebung Geschichte

Jan Josef Liefers' Verfilmung des mehrwöchigen Aufenthalts des Ehepaares Honecker 1990 in einem brandenburgischen Pfarrhaus kommt ins TV. Doch wer ist dieser Pastor Holmer, der den abgesetzten DDR-Staatschef aufnahm?

Autor/in:
Karin Wollschläger
Szene des Films Honecker und der Pastor / © Conny Klein/ZDF (dpa)
Szene des Films Honecker und der Pastor / © Conny Klein/ZDF ( dpa )

Er ist beruhigt, dass es nicht direkt um ihn selber geht, "sondern um einen Film, der eine Sache darstellt, nämlich die Bedeutung von Vergebung als wichtige Bedingung für einen Neuanfang und ein konstruktives Miteinander". Der 93-jährige Pastor Uwe Holmer ist ein zutiefst bescheidener und frommer Mensch. Keiner, der Rummel um seine Person mag.

Uwe Holmer war Theologe und Pfarrer / © Bernd Wüstneck (dpa)
Uwe Holmer war Theologe und Pfarrer / © Bernd Wüstneck ( dpa )

Zehnwöchiges "Kirchenasyl"

Doch im Januar 1990 stand er schlagartig im internationalen Rampenlicht: Als er und seine Ehefrau auf Bitten der evangelischen Kirchenleitung das Ehepaar Erich und Margot Honecker in ihrem Pfarrhaus im brandenburgischen Lobetal aufnahmen. Holmer leitete dort die diakonische Einrichtung Hoffnungstaler Anstalten, die größte Behinderteneinrichtung in der DDR.

Die Stimmung war damals aufgeheizt. Für den krebskranken Honecker und seine Frau fand sich keine andere sichere Bleibe. Insgesamt zehn Wochen dauerte das ungewöhnliche "Kirchenasyl". Nicht nur Journalisten belagerten das Gelände, auch zahlreiche Demonstrierende. Sie hielten Schilder mit der Aufschrift "Keine Gnade für Honecker" hoch. Die Anfeindungen richteten sich auch gegen Holmer. Viele ostdeutsche Christen hatten kein Verständnis dafür, dass der Pastor ausgerechnet den Mann aufnahm, unter dessen Repressalien auch Kirchenmitglieder gelitten hatten.

Holmers Familie hatte das selbst erfahren. Sie wurde von der Stasi bespitzelt. Für acht ihrer zehn Kinder stellten die Holmers einen Antrag auf den Besuch der Erweiterten Oberschule. "Keines von ihnen wurde angenommen trotz guter und bester Zensuren. Wir haben jedoch darüber keine Bitterkeit im Herzen, da wir in der Nachfolge unseres Herrn wirklich vergeben haben. Auch haben wir erlebt, dass Gott unsere Kinder auch ohne Abitur freundlich geführt hat", schreibt Holmer in seiner Biografie mit dem Titel "Der Mann, bei dem Honecker wohnte".

Grundlage für das Handeln im Vaterunser

Die Frömmigkeit, die aus seinen Worten spricht, mag irritierend wirken. Doch sie ist es, die den Menschen Uwe Holmer ausmacht, der 1929 in Wismar zur Welt kam und der sein ganzes Leben versuchte, den Glauben immer als Richtschnur seines Handelns zu nehmen, auch wenn er dafür, wie er selber schreibt, "manches Mal angesehen wurde als 'armer, weltfremder Tropf'".

Szene aus dem Film: Pastor Holmer (Hans-Uwe Bauer, links) und Honecker (Edgar Selge) / © Conny Klein (dpa)
Szene aus dem Film: Pastor Holmer (Hans-Uwe Bauer, links) und Honecker (Edgar Selge) / © Conny Klein ( dpa )

Auch die Aufnahme der Honeckers in seinem Pfarrhaus resultierte aus seinen Glaubensüberzeugungen. So schreibt Holmer in seinen Lebenserinnerungen: "Wir bedachten, dass wir an jedem Sonntag in unserer voll besetzten Kirche im Vaterunser beten: 'Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.' Könnten wir das ehrlich weiterbeten, wenn wir das nicht auch praktizieren?"

Noch etwas Anderes war ihm wichtig: "Dieses Argument, dass wir die neue Epoche in unserem Land nicht mit Hass und Streit beginnen sollten, weil es das Miteinander noch schwerer machen würde und weil die zentrale christliche Botschaft die Vergebung und Versöhnung ist, hat vielen geholfen, uns besser zu verstehen."

Besuch von Jan Josef Liefers

Nach seinem Theologie-Studium war Holmer zunächst bis 1967 Landpfarrer im mecklenburgischen Leussow, anschließend Direktor der Bibelschule Falkenberg in Berlin. 1983 wurde er dann Leiter der Hoffnungstaler Anstalten. Nach der deutschen Wiedervereinigung gehörte er zum Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, einem Netzwerk konservativer Protestanten. Im Ruhestand kehrte Holmer nach Mecklenburg zurück und engagierte sich in der diakonischen Rehaklinik für Suchtkranke in Serrahn.

Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er erneut. Seine zweite Frau brachte aus der Ehe mit ihrem früh verstorbenen ersten Mann fünf weitere Kinder mit. Inzwischen ist Holmer Großvater von 61 Enkelkindern, die alljährlich zu einer fünftägigen, auch religiös geprägten Enkelkinderfreizeit zusammenkommen.

Schauspieler Jan Josef Liefers / © Oliver Berg (dpa)
Schauspieler Jan Josef Liefers / © Oliver Berg ( dpa )

Besuch bekam Holmer auch von TV-Star Jan Josef Liefers, als dieser für sein Regie-Debüt "Honecker und der Pastor" recherchierte. "Ich habe den Eindruck, es geht ihm wirklich um die Sache. So denke ich, der Film ist bei ihm in guten Händen", sagte Holmer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zum Drehstart im vergangenen Jahr. "Ich hoffe, dass unser Tun damals wenigstens etwas geholfen und aufgezeigt hat."

"Honecker und der Pastor", Regie: Jan-Josef Liefers, ZDF, Montag, 21.März, 20.15 bis 21.45 Uhr.

Quelle:
KNA