Als der Kölner Erzbischof evangelisch wurde

Ein Blick in die Reformationsgeschichte

Nur 25 Jahre nach Luthers Thesenanschlag stand die Sache im Reich Spitz auf Knopf. Der Kölner Erzbischof wollte im wichtigsten Bistum Deutschlands die Reformation. Die Mehrheit im Kolleg der Kurfürsten drohte zu kippen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Undatiertes Gemälde des Kölner Doms im Bau / © N.N. (KNA)
Undatiertes Gemälde des Kölner Doms im Bau / © N.N. ( KNA )

Wenn "der Religionssache geholfen" werden solle, so müsse man "die alten Lehren fahren lassen und nur Gottes Wort des Alten und Neuen Testaments nehmen", kritisierte der Kölner Erzbischof und Kurfürst Hermann von Wied. Und seinen eigens bestellten Reformatoren hielt er vor, sie läsen zu viele Bücher und hätten so "den rechten Geist" verloren. Die Rückbesinnung allein auf die Worte der Bibel: Das war für Hermann der Schlüssel für eine echte Reform der Kirche.

Kaiser Karl V. verhindert Kölner Reformation

Und in seiner Position hätte er damit die konfessionelle Landschaft in Deutschland tatsächlich nachhaltig verändern können: Kurköln hätte dem siebenköpfigen Gremium zur Königswahl im Reich nach 1543 beinahe eine protestantische Mehrheit verschafft. Kaiser Karl V. verhinderte mit Säbelrasseln eine Kölner Reformation und setzte Hermann von Wied 1547 ab.

Der Kölner Reformationsversuch ist bis heute ein Politikum zwischen den Konfessionen. Vielen Evangelischen gilt Hermann von Wied (1477-1552) als ein Vorreiter und Märtyrer der Ökumene, vielen Katholiken als ein lauterer, wenn auch naiver Dilettant. Fest steht, dass er in seiner mangelhaften theologischen Bildung eher den Durchschnitt der Bischöfe seiner Zeit als eine Ausnahme repräsentierte. Und auch, dass er seine Meinung über Reform und Reformation im Laufe seiner Amtszeit gründlich änderte.

Zunächst hatte sich der 1477 ins mittelrheinische Grafengeschlecht derer von Wied geborene Erzbischof als scharfer Verfolger der Reformatoren hervorgetan: Er predigte gegen die "Lutherana illa pestilens secta" und ließ 1528 die Lutheraner Peter Fliesteden und Adolf Clarenbach wegen Ketzerei hinrichten.

Konzil der Kölner Kirchenprovinz

Erst nach der Zerschlagung der Täuferherrschaft in Münster erkannte er die Notwendigkeit einer umfassenden Kirchenreform, die er auf dem Konzil der Kölner Kirchenprovinz 1536 auch energisch vorantrieb. Die Umsetzung der Entwürfe seines wichtigsten katholischen Beraters Johannes Gropper verliefen jedoch im Sande. Später sollte Hermann in der Rückschau erklären, er habe auf eine solch halbherzige Reform ohnehin "keine sondere hoffnung noch lust gehabt".

Zwischen 1538 und 1542 vollzog sich der innere Wandel des Erzbischofs vom eher unreligiösen Verteidiger der alten Lehre zum frommen Auftraggeber einer nun protestantischen Reformation. Das Verschleppen eines immer wieder angekündigten Konzils der Gesamtkirche dürfte ihn bestärkt haben, zumindest im eigenen Einflussbereich Reformen durchzusetzen. Jedenfalls nahmen die Kontakte zu protestantischen Fürsten und Gelehrten bei den Religionsgesprächen der frühen 1540er Jahre immer mehr zu. Die zunehmende Kompliziertheit der theologischen Diskussion konnte ihn nicht befriedigen: Reform, das war für ihn die simple Rückführung auf das frühchristliche Gemeindeleben.

Tumultartige Proteste vom Domkapitel

Ein Indiz für seine mangelnde theologische Differenzierung: Er beauftragte Gropper und dessen früheren Freund und Reformator Martin Bucer, gemeinsam eine "Reformation" für Kurköln auszuarbeiten. Doch beide waren inzwischen über ihr Verständnis von "Reform" entzweit, so dass es schon bald zum Bruch kam. Bucer erhielt nun freie Hand, und am 1. September 1542, vor 475 Jahren, legte Hermann dem verdutzten Domkapitel einen fertigen Reformationsentwurf vor. Tumultartige Proteste waren die Folge; doch schon im Dezember predigte Bucer erstmals im Bonner Münster, und zu Ostern wurde die Kelchkommunion gereicht.

Die Auseinandersetzungen der folgenden Jahre sind wohl eher mit Politik als mit Religion zu begründen: Protestantisch oder katholisch zu sein war längst auch untrennbar mit der Zugehörigkeit zu einem politischen Lager verbunden - was sicher nicht im Interesse des persönlich frommen Erzbischofs lag. Das konfessionelle Kräfteverhältnis des Reiches stand auf der Kippe, und Kaiser Karl V. entschied die Kölner Hängepartie zugunsten der Katholiken.

Der Exkommunikation durch Papst Paul III. 1546 folgte die kaiserliche Absetzung als Kölner Erzbischof im Februar 1547, die Hermann nie akzeptiert hat. Der Wanderer zwischen Reform und Reformation endete zwischen allen Stühlen. Im Kölner Dom erhielt er einen katholischen, in seinem Heimatstädtchen Niederbieber einen evangelischen Trauergottesdienst.


Quelle:
KNA