domradio.de: Guten Tag, Herr Schramm. Ist das Ihrer Meinung nach wirklich ein Tabubruch, dass die Polizei das Kirchenasyl bricht? Oder ist das schon häufiger vorgekommen?
Schramm: Nein, das ist in Bayern das allererste Mal, dass von der Polizei in ein Pfarrhaus eingedrungen wurde und wir sind entsprechend entsetzt. Ich bin jetzt seit Anfang der 90er Jahre in diesem Ökumenischen Kirchenasylnetz und habe mir so etwas nicht vorstellen können, nachdem ein früherer Innenminister ganz klar ausgesagt hatte, er würde nicht in Kirchenräume gehen. Und wir hatten auch keinerlei Anzeichen, dass sich die Situation verändern würde. Ich hoffe, dass das nur ein Einzelfall eines Ausländeramtschefs ist.
domradio.de: Woher kommt denn die alleinerziehende Frau mit ihren vier Kindern? Können Sie uns da Genaueres über den Fall sagen?
Schramm: Das ist auch einer der Gründe, warum ich besonders entsetzt bin: Die Frau ist Tschetschenin, ist 2007 schon einmal mit Mann und Kindern nach Polen geflüchtet, weil der Mann politisch verfolgt wurde. Aufgrund der tristen Situation dort hat der Mann begonnen zu trinken, und die Frau hat dann ihren Mann nach längerer Zeit überredet, doch wieder nach Grosny zurückzugehen, weil sie hoffte, das Trinkverhalten ihres Mannes würde sich dann wieder normalisieren. Was es aber nicht tat, es wurde schlimmer, und er hat sie und die Kinder auch verprügelt, woraufhin sie sich von ihm getrennt hat und er dann drohte, ihr die Kinder wegzunehmen. Das war der Grund, weshalb sie wieder nach Polen geflüchtet ist und dort gelebt hat. Der älteste Sohn ist, um die Situation zu verbessern, zum Vater zurückkehrt, um ihn von der Bedrohung der Mutter mit den anderen Kindern abzuhalten. Und eigentlich dachte die Frau, jetzt könnte sie in Polen mehr oder weniger ruhig leben. Nun werden aber Tschetschenen ähnlich wie Roma in Polen ziemlich diskriminiert. Als dann die Nachbarwohnung, die auch von einer Tschetschenin bewohnt wurde, von Neonazis angezündet wurde, ist sie Hals über Kopf nach Deutschland weitergeflüchtet. Das war die Situation.
domradio.de: Allein schon wenn man von diesem Fall hört: Eine Frau mit vier Kindern, dann die Situation Kirchenasyl – da hat man spontan Mitleid, denn für vier Kinder bedarf es natürlich auch noch mehr als nur einer trockenen Unterkunft. Warum machen die Behörden denn in solchen Fällen keine Ausnahme?
Schramm: Das haben die Behörden ja in der Vergangenheit getan, wenn Kirchenasyl gewährt wurde. In den letzten zwei, drei Jahren gab es eine ganze Reihe von Kirchenasylen, bei denen es aber hauptsächlich immer darum ging, diese Rücküberstellungsfrist in das EU-Ankunftsland zu überbrücken, das sind in der Regel sechs Monate und das wäre in diesem Fall der 23. Februar gewesen. Dass das in diesem Fall jetzt nicht so ging, macht die Sache besonders schwierig.
domradio.de: Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa will sich für Mutter und Kinder einsetzen. Meinen Sie, dass er da etwas erreichen kann?
Schramm: So wie ich das sehe, müsste die Frau wieder nach Deutschland flüchten, wenn er sich hier für sie einsetzen will. Was er aber auch tun kann, und das hat er auch zugesagt, ist, sich an die katholische Kirche in Polen zu wenden und sie zu bitten, sich besonders um diese Familie zu kümmern.
domradio.de: Wie geht es denn nun dieser Familie? Sind die schon wieder zurück in Polen?
Schramm: Die sind wieder nach Białystok gekommen, in denselben Ort, von dem sie damals nach dem Feuer in der Nachbarwohnung in Panik geflüchtet sind. Das ist das Schlimmste daran.