Aleviten rufen zu Demo gegen türkische Regierungspolitik auf

Gegen Ankara am Brandenburger Tor

Tausende Demonstranten wollen heute vor dem Brandenburger Tor in Berlin gegen die türkische Politik protestieren. Ministerpräsident Erdogan und seine Regierungspartei AKP stünden für eine antidemokratische Politik, teilte die Alevitische Gemeinde mit. Sie hat zum Protest aufgerufen. Erdogan hatte gestern die neue Botschaft seines Landes eröffnet.

Autor/in:
Johann Tischewski
 (DR)

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat anlässlich der Eröffnung der neuen türkischen Botschaft in Berlin die in Deutschland lebenden Türken aufgefordert, sich stärker an der deutschen Gesellschaft zu beteiligen. "Sie sollen sich hier nicht als Gäste sehen, Sie sollen sich als dazugehörig sehen", sagte Erdogan am Dienstag in Berlin. Gleichzeitig sollten sie aber auch ihren türkischen Hintergrund als kulturellen Schatz begreifen.



Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte in seinem Grußwort, dass die fast drei Millionen Menschen türkischer Herkunft in der Bundesrepublik die deutsche Kultur bereicherten. "Sie sind aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken, sie sind ein Teil von uns", sagte der FDP-Politiker vor den rund 2.000 geladenen Gästen.



Die neue Botschaft ist die größte aller türkischen Auslandsvertretungen. Das Grundstück hatte das damalige Osmanische Reich bereits 1918 erworben. Nach Gründung der türkischen Republik hatten die Botschafter bis 1944 hier ihren Sitz. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Botschaftskanzlei bei Bombenangriffen zerstört.



Erdogan nannte den Neubau ein Symbol der tief verwurzelten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei. Der historische Ort an dem sie errichtet wurde, zeige, wie lange die Freundschaft zwischen den beiden Ländern schon währe. Am Mittwoch empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den türkischen Ministerpräsidenten im Kanzleramt. Bei dem Treffen soll es neben bilateralen Fragen auch um die Lage in Syrien gehen.



Appell zur Zweisprachigkeit

Erdogan rief die Menschen mit türkischem Hintergrund in Deutschland dazu auf, sowohl die deutsche als auch die türkische Sprache "in bester Art und Weise" zu erlernen. Er kündigte an, ein türkisches Kulturzentrum in Berlin eröffnen zu wollen, das den deutschen Goethe-Instituten im Ausland ähneln solle. Er unterstrich, dass hinter den in Deutschland lebenden Türken eine "starke Türkei, mit einer starken Wirtschaft, mit einer aktiven Außenpolitik" stehe.



Als Beispiel für eine gelungene Integration nannte Erdogan den deutschen Fußballnationalspieler mit türkischen Wurzeln, Mesut Özil. Zwar gebe es in der Türkei Menschen die Özils Entscheidung, für das deutsche Team zu spielen, mit gemischten Gefühlen betrachten, aber die meisten Türken seien dennoch stolz auf seinen Erfolg.



Erdogan forderte von der deutschen Bundesregierung zudem mehr Engagement bei der Aufklärung der Mordserie der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Aber auch der "alltägliche Rassismus" müsse stets entschieden bekämpft werden.



Rückendeckung im Syrien-Konflikt

Westerwelle sicherte Erdogan derweil seine Unterstützung im Grenzkonflikt mit Syrien zu. "Als NATO-Partner stehen wir Deutsche an Ihrer Seite", sagte er. Im Umgang mit den historischen Umbrüchen in der arabischen Welt seien Deutschland und die Türkei enge Partner. Er fügte hinzu: "Die Besonnenheit, mit der die türkische Regierung handelt, hat unsere Anerkennung und unsere Solidarität."



Westerwelle sprach sich auch für eine weitere Annäherung zwischen der Türkei und der Europäischen Union aus. Seit mehr als zwei Jahren sei in den Beitrittsverhandlungen zur EU kein Kapitel mehr geöffnet worden, sagte der deutsche Außenminister. "Dieser Stillstand ist nicht gut, er ist für beide Seiten schlecht", fügte er hinzu. "Wir wollen im kommenden Jahr einen neuen Anfang machen diesen Stillstand zu überwinden."



Grüne kritisieren türkische Regierungspolitik

Die Grünen kritisierten Erdogans Innenpolitik. Die türkische Justiz agiere "kraft der weiterhin geltenden Anti-Terror-Gesetze wie ein Staat im Staate", rügte Parteichef Cem Özdemir. "Auch die massenhafte Internierung von protestierenden Jugendlichen, Journalisten, Autoren und Verlegern ist ein unhaltbarer Zustand und inakzeptabel", fügten er hinzu.



Von der Bundesregierung forderte Özdemir "neue Impulse für die Integration der Türkei". Aktuell benötige das Land zudem "eine glaubwürdige deutsche Unterstützung bei der Versorgung von syrischen Flüchtlingen", betonte der Grünen-Vorsitzende.



Am Mittwoch wollten Tausende Demonstranten vor dem Brandenburger Tor in Berlin gegen die Politik Erdogans protestieren. Der Politiker und seine Regierungspartei AKP stünden für eine antidemokratische Politik, teilten die Veranstalter vorab mit. Erdogan setze eine "Politik der Gleichschaltung, Ausgrenzung, Unterdrückung und Gewalt" fort, hieß es. Die Polizei erwartet bis zu 10.000 Teilnehmer. Weitere Verbände von in Deutschland lebenden Kurden, Yeziden, Assyrer und Armenier wollen sich dem Protest anschließen.