Albinos in Afrika werden Opfer von Gewalt und Benachteiligung

Diskriminierung, Beschimpfungen und Morde

Wie viele Albinos es in Kenia gibt, habe nie jemand gezählt, berichtet Mumbi Ngugi von der Albinismus-Stiftung Ostafrika. Menschen mit der vererbbaren Pigmentstörung leiden in Afrika besonders. Gesundheitlich und sozial. Gesellschaftlich sind sie Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt.

Autor/in:
Anja Bengelstorff
 (DR)

Benedict Kinyua hat eigentlich keine Zeit. Am Morgen hat er seine Frau ins Krankenhaus gebracht. Ihr soll ein Tumor aus dem Kopf entfernt werden. Seine Gedanken sind ganz woanders. Aber da der Besuch schon einmal da ist, kann man auch reden. "Was können wir sonst machen?", fragt Kinyua. Die Dinge nehmen, wie sie sind; eine Situation akzeptieren und beharrlich sein - das ist Kinyuas Lebenseinstellung, dank derer er letztlich überlebt hat. Und dank einer Mutter, die ihren jüngsten Sohn akzeptierte, wie er war: Ein Weißer unter Schwarzen.

Als Benedict Kinyua vor 66 Jahren geboren wurde, kannten die Leute in seinem Dorf Weißhäutige nur als britische Kolonialisten, als Diktatoren. "Mzungu, oder Weißer, war ein Schimpfwort, das ich dauernd hörte", erinnert er sich. "Ich hatte Probleme in der Schule, weil ich schlecht sah. Aber meine Mutter sagte: 'Konzentriere dich auf dein Leben. Halte durch. Dass du weiß bist, ist Gottes Wille." Der kleine Benedict wurde in eine Blindenschule gesteckt, obwohl er nicht blind war, und der große Benedict hielt mit 41 Jahren seine erste Flasche Sonnencreme in den Händen. Für beides muss er sich glücklich schätzen, bleibt doch vielen Menschen wie Kinyua der Zugang zu Bildung oder medizinischer Grundversorgung verwehrt, Menschen mit Albinismus.

Vorurteile und Diskriminierungen
Wie viele Albinos es in Kenia gibt, habe nie jemand gezählt, berichtet Mumbi Ngugi von der Albinismus-Stiftung Ostafrika. Menschen mit der vererbbaren Pigmentstörung litten in Afrika besonders: Gesundheitlich, da sie meist ungeschützt intensiver Sonnenstrahlung ausgesetzt sind, was das Hautkrebsrisiko drastisch erhöht. Auch sehen viele schlecht und verlieren dadurch den Anschluss in der Schule. Für Brillen haben die meisten Eltern kein Geld, oder kein Verständnis. Gesellschaftlich sind Menschen mit Albinismus Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt, deren Konsequenzen oft verheerend sind: In Ostafrika gehört dazu inzwischen Mord.

Mumbi Ngugi berichtete von Gerüchten über zwei Morde. Selbst wenn sie stimmten, "sind wir in Kenia noch längst nicht auf dem Niveau von Tansania." In dem Nachbarland verloren in den vergangenen Monaten mindestens 40 Albinos auf barbarische Weise ihr Leben: Bei lebendigem Leib wurden ihnen Körperteile abgehackt, denen Wunderheiler magische Kräfte etwa für wachsenden Wohlstand nachsagen. Fischer erhoffen sich einen besonders guten Fang, wenn sie Haare von Albinos in die Netze flechten.

"Sie sind doch gar kein Vorbild für die Schüler"
Michael Mwendwa in Kenia fürchtet zwar weniger um sein Leben, aber auch er ist für manche der "Teufel", das "Schwein" oder immer wieder der "Mzungu". Dreißig Jahre jünger als Benedict Kinyua, zeigen seine Erfahrungen, dass die Bevölkerung heute kaum mehr über Albinismus weiß als früher. Auch er wurde in eine Blindenschule gesteckt. An der Universität, einziger Albino unter 6.000 Schwarzen, wollte aus Angst vor Alpträumen keiner ein Zimmer mit ihm teilen. Als der ausgebildete Lehrer einen Job suchte, bekam er von Schulleitern zu hören: "Können Sie überhaupt unterrichten? Sie sind doch gar kein Vorbild für die Schüler." Das Blatt wendete sich erst, als die kenianische Regierung gezielt Lehrer mit Behinderungen anstellte.

Heute leitet der Vater einer zweijährigen Tochter eine private Grundschule in Nairobi. "Dies ist meine letzte Anstellung. Danach will ich einen Unternehmensfonds für Menschen mit Albinismus gründen, damit sie auf eigenen Beinen stehen können", sagt Michael Mwendwa. Auf eigene Faust hat er die Situation von Albinos in Kenia in einer Studie untersucht. Auf seinen geplanten Schritt in die Wirtschaftsbranche bereitet er sich in einem Masterkurs an der Uni vor. Einen Magister in Französisch hat er schon.

Vom Vater zunächst verleugnet, ermutigten Mwendwa katholische Schwestern in der Grundschule: "Auch wenn du anders bist, kannst du es trotzdem im Leben zu etwas bringen." Benedict Kinyua brachte es zu einer eigenen Werkstatt für Lederwaren. Wie Mwendwa hat er es geschafft, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Armut und Unwissenheit lassen jedoch befürchten, dass die beiden Albinos aus Kenia auch künftig Ausnahmen bleiben.