Al Gaddafis Tod wird in Deutschland mit Erleichterung aufgenommen, der Vatikan hofft auf eine friedliche Zukunft

Chance für Neuanfang

Nach al Gaddafis hofft Deutschland auf einen umfassenden politischen und wirtschaftlichen Neuanfang in dem Land. Zugleich wurde parteiübergreifend bedauert, dass Gaddafi für die Verbrechen gegen sein Volk nicht mehr vor Gericht gestellt werden könne. Der Vatikan hofft auf friedliche Zukunft für Libyen.

 (DR)

Der Vatikan hofft, dass dem libyschen Volk nach dem Tod von Diktator Muammar al-Gaddafi neue Gewalt, weitere Leiden und Rache erspart bleiben. In einer offiziellen Erklärung vom Donnerstagabend heißt es, man erwarte, dass die neue Regierung möglichst bald zum Frieden und zu einem Neuaufbau des Landes beitrage, und das auf der Grundlage von Recht und Gerechtigkeit. Der Vatikan betrachte den Übergangsrat als legitime Vertretung Libyens.

Außerdem hoffe man, dass die internationale Gemeinschaft großzügig beim Aufbau des Landes helfe.



Mit Gaddafis Tod endet nach Ansicht des Vatikan die "allzu lange und tragische Phase des blutigen Kampfes zur Niederschlagung eines harten und unterdrückerischen Regimes". Das dramatische Ereignis lasse erneut über den Preis des enormen menschlichen Leidens unter einem Regime nachdenken, das nicht dem Respekt vor der Menschenwürde, sondern nur der Macht Rechnung trage. Der Vatikan versicherte, dass die kleine katholische Gemeinde in Libyen weiterhin uneigennützig ihren Beitrag für die Bevölkerung leisten werde, vor allem im karitativen Bereich und im Gesundheitswesen.



"Angesichts des Todes eines Menschen kann man sich nicht freuen", sagte der Botschafter des Papstes für Libyen, Erzbischof Tommaso Caputo, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er hoffe aber, "dass dieses Ereignis zu einer Zukunft der Eintracht und des Friedens führt", so der italienische Kirchendiplomat.



Die katholische Kirche wolle ihre Arbeit in dem Land fortsetzen, betonte auch Caputo. Er verwies auf den sozial-karitativen Einsatz in 16 Kliniken und medizinischen Einrichtungen. Dieser "Dienst an den libyschen Schwestern und Brüdern" werde von der Bevölkerung geschätzt. Die dort tätigen Ordensfrauen hätten Libyen auch während des Konflikts nicht verlassen und wünschten eine "fortdauernde Präsenz an der Seite des Volkes".



Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte in Berlin, es sei "ein wichtiger Tag für die Libyer". Nun sei endgültig der Weg frei für einen politischen Neuanfang in Frieden. "Darüber ist Deutschland erleichtert und sehr froh." In Libyen gehe ein blutiger Krieg zu Ende, den Gaddafi gegen sein eigenes Volk geführt habe. Die Regierungschefin versicherte zugleich, Deutschland werde Libyen auf dem Weg zu Demokratie, Rechtstaatlichkeit und nationaler Versöhnung "begleiten und unterstützen". Auch Außenminister Guido Westerwelle sprach von einer Zäsur für Libyen. "Wir hoffen, dass für Libyen jetzt ein neues Zeitalter beginnt", betonte der FDP-Politiker. Er fügte hinzu: "Gaddafi war ein Diktator, der die Menschenrechte missachtet und Krieg gegen sein eigenes Volk geführt hat."



Ähnlich äußerte sich die Opposition in Berlin. "Mit dem Ende Gaddafis ist endgültig der Weg frei für einen politischen Neuanfang in Libyen", sagte SPD-Fraktionsvize Gernot Erler. Er bedauerte zugleich, dass Gaddafi nicht mehr vor Gericht gestellt werden könne. "Leider ist mit Gaddafis Tod der Weg für eine juristische Aufarbeitung seiner Verbrechen nicht mehr möglich. Für die Opfer des alten Regimes wäre dies ein wichtiges Signal gewesen", sagte er.

Der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, bedauerte ebenfalls, dass Gaddafi nicht mehr juristisch belangt werden könne. Es wäre gut gewesen, wenn er sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für die von ihm verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit hätte verantworten müssen. Die Außenexpertin der Grünen, Kerstin Müller, rief die Bundesregierung auf, die neue libysche Regierung zu unterstützen.



Wenig politischer Schaden durch deutsche Enthaltung

Vonseiten der Koalition wurde die Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat erneut kritisiert. "Die Entscheidung war nicht richtig", sagte der CDU-Außenexperte Philipp Mißfelder dem TV-Sender Phoenix. Den politischen Schaden hält Mißfelder jedoch für gering. "Diese Grundsatzfrage der deutschen Außenpolitik nimmt hierzulande zurecht einen großen Raum ein, aber in Amerika hat die Kanzlerin einen guten Ruf, während das Vertrauen in andere Euro-Länder massiv geschwunden ist."



Auch in der libyschen Gemeinde in Berlin herrscht nach Meldungen über den Tod al Gaddafis Erleichterung. "Es ist die größte Freude meines Lebens", sagte der Sprecher der Gemeinde, Mohamed El-Asil, der Nachrichtenagentur dapd. Er hoffe, dass jetzt nicht nur Libyen, sondern die ganze Welt in Frieden leben könne. Nach den Worten des Sprechers ist die Situation in seinem Heimatland "unbeschreiblich". Die Menschen in der Hauptstadt Tripolis würden auf den Straßen feiern. Er habe nach der Nachricht über den Tod Gaddafis bereits mehrfach mit seinen Verwandten telefoniert, sagte der 34-Jährige. Er gehe davon aus, dass Libyen in wenigen Tagen ganz befreit sein wird von Gaddafis Familie. Gaddafi war am Donnerstag bei Kämpfen in seiner Geburtsstadt Sirte getötet worden. Derweil bereitet die NATO das Ende ihres Militäreinsatzes vor.