Afrikaexperte über die Situation in Zentralafrika

"Keine religiöse Agenda"

Der Konflikt in Zentralafrika nimmt immer schlimmere Ausmaße an. Amnesty International spricht von einer "ethnischen Säuberung“. Christoph Klitsch-Ott, Afrikaexperte von Caritas International, weiß um die Situation vor Ort.

 

Opfer der Unruhen in Zentralafrika (dpa)
Opfer der Unruhen in Zentralafrika / ( dpa )

domradio.de: Ist das auch Ihre Sicht der Dinge - kommt es in der Zentralafrikanischen Republik zu „ethnischen Säuberungen“?

Christoph Klitsch-Ott: Ich würde das anders beurteilen, die Auffassung von Amnesty International, dass es sich um ethnische Säuberungen handelt, entspricht den Dingen sicherlich eher, als dass es sich um einen religiösen Konflikt handeln würde. Man spricht dort etwas unklar von islamischen / islamistischen Milizen und christlichen Milizen. Ich halte diese Zuschreibung eigentlich für falsch. De facto bekämpfen sich dort Volksgruppen unterschiedlicher Art, die aus historischen Gründen Muslime und Christen sind, aber weder die einen noch die anderen haben eine religiöse Agenda.

domradio.de: Ohne die verschiedenen Verbrechen im Einzelnen zu beschreiben, sie sind bestialisch. Wie ist es dazu gekommen, dass sich Menschen zu solchem brutalen Hass hinreißen lassen?

Klitsch-Ott: Man muss sich die Geschichte dieses Konflikts etwas näher anschauen: Anfang 2013 haben die sogenannten Séléka –Milizen, die im Wesentlichen aus dem Nordosten des Landes kommen, und wesentlich aus Vertretern einer Minderheit bestehen, die Macht übernommen, und haben auf dem Weg zur Macht und während ihrer Regierungszeit auch heftige Kriegsverbrechen, Massaker und ähnliches andere an der Zivilbevölkerung verübt. Man hat in diesen Milizen alle möglichen Banditen mit aufgenommen, die geplündert haben usw. Jetzt hat sich das Blatt gewendet: Die sogenannten Anti-Balaka-Milizen lassen sich jetzt zu Rachefeldzügen hinreißen und plündern im Gegenzug muslimische Geschäfte und Häuser und jagen muslimische Mitbürger, die zum Teil aus anderen Nationen zugewandert sind, z.B. aus dem Tschad, aus Niger, aus Mali, oder eben zu den Volksgruppen aus dem Nordosten des Landes gehören.

domradio.de: Es sind ja bereits internationale Truppen vor Ort. Können ausländische Soldaten da überhaupt schlichten?

Klitsch-Ott: Das ist angesichts der Größe des Landes sicherlich flächendeckend nicht möglich, also die wenigen Truppen – es handelt sich ja nur um wenige Hundert, wenn man die afrikanischen Truppen mit dazu nimmt, um wenige Tausend – Soldaten. Die können vielleicht die Hauptstadt und zwei, drei andere größere Städte in Zukunft sichern. Aber mit dieser Militärpräsenz wird man die Krise nicht in den Griff bekommen.

domradio.de: Am Dienstag hat sich Verteidigungsministerin von der Leyen gegen eine deutsche Beteiligung vor Ort ausgesprochen. Meinen Sie, dass ein Einsatz der Bundeswehr in Zentralafrika angebracht wäre?

Klitsch-Ott: Mit Blick auf die Möglichkeiten der Bundeswehr glaube ich, dass der Einsatz von deutschen Soldaten dort wenig zusätzlichen Nutzen en würde. Sicherlich braucht die Zentralafrikanische Regierung Unterstützung beim Wiederaufbau ihrer Polizei und ihres Militärs. Sie braucht Schulungen, um die Sicherheit in diesem großen Land selber herstellen zu können. Mit wenigen Hundert deutschen Soldaten kann man dort sicher wenig ausrichten.

domradio.de: Und welcher humanitärer Hilfe bedarf es jetzt derzeit?

Klitsch-Ott: Man muss sehen, dass in diesem sehr großen, aber sehr dünn besiedelten Land derzeit mehrere Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Humanitäre Hilfe ist im Moment gefährlich, aber u.a. können Kirchenstrukturen helfen. Man muss auch sagen: Es gibt Kirchen, die sehr viele Muslime aufgenommen haben und die brauchen im Moment schlicht und ergreifend Überlebenshilfe. Und mittelfristig muss man die sozialen Systeme, die Krankenhäuser, die Krankenstationen wieder aufbauen.

Das Interview führte Christian Schlegel.