Afrika-Referent im Erzbistum Köln: Geduld mit Demokratisierung Ägyptens

"Zu Recht als Pharao bezeichnet"

Streiks, Proteste, Straßenschlachten - nach der Machterweiterung Mursis kommt Ägypten nicht nur Ruhe. Nadim K. Ammann ist Referatsleiter in der Diözesanstelle Weltkirche im Erzbistum Köln. Im domradio.de-Interview kritisiert er den Präsidenten, fordert aber auch Geduld mit dem Land.

Proteste in Ägypten (DR)
Proteste in Ägypten / ( DR )

domradio.de: Wie beurteilen Sie die Situation in Ägypten?

Ammann: Wir haben seit der Revolution eine ganz neue Situation in Ägypten. Die Entscheidung des Präsidenten überschreitet alles, was wir sonst an demokratischen Mitteln kennen - es ist nämlich nicht demokratisch. Mit dieser Entscheidung hat er zunächst einmal dafür gesorgt, dass das Volk entzweit ist. Die große Mehrheit der Liberalen sehen darin ganz klar Machtmissbrauch, während die Partei des Präsidenten, die Muslimbrüder und die Salafisten jubeln und sich wie die neuen Herren aufführen. Für die Entwicklung Ägyptens hin zu einer Demokratie kann das nicht gut sein.



domradio.de: Die Justiz im Land streikt, Mursi stellt sich nun zum Gespräch. Was erwarten Sie?

Ammann: Es ist nicht das erste Mal, dass der Präsident eine Entscheidung trifft, die er eigentlich nicht treffen darf. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass sich die Richter im Land mit ihm treffen. Auch heute werden sie wieder versuchen, ihm den rechten Weg aufzuzeigen. Der Dialog ist wohl gerade das Beste, was man machen kann.



domradio.de: Wird Mursi seine umstrittene Verfassungserklärung, werden die Muslimbrüder ihre Macht wieder abgeben?

Ammann: Alle, die ich Land spreche, sagen: Die Muslimbrüder wurden so lange unterdrückt, jetzt haben sie die Macht, die sie solange wie möglich auskosten werden. Ohne weiteres werden sie nicht abgeben. Man muss abwarten, wie sich der Präsident entwickelt, der ja oft bekundet hat, Präsident aller sein zu wollen. Deshalb ist er ja auch aus der Partei ausgetreten. Man muss Geduld haben. Mursi wurde gerade erst gewählt, das Land hat 80 Millionen Einwohner, da kann man nicht erwarten, dass nach so vielen Jahren der Diktatur von heute auf morgen Demokraten aus dem Boden schießen. Auf der anderen Seite hatte sich noch nicht mal Mubarak über Verfassung und Gesetz hinweggesetzt. Hier wird Mursi zu Recht als Pharao bezeichnet.



domradio.de: Wie geht es den Christen im Land?

Ammann: Die Christen haben sich aus dem Gremium, das letztlich die Verfassung gestellt, verabschiedet. Und mit ihnen auch viele gemäßigte Kräfte. Sie haben große Sorgen, und sie haben auch Angst vor der Zukunft. Auf der anderen Seite wird der Dialog gesucht, das wird hier kaum wahrgenommen.



Das Gespräch führte Monika Weiß.