Ädikula der Grabeskirche ist nicht nur auf Fels gebaut

Auf wackeligen Füßen

70 Jahre hielten Eisenstangen die marode Grabkapelle in Jerusalem zusammen. Jetzt steht das Gebäude wieder aus eigener Kraft. Doch der Grund, auf dem es steht, ist alles andere als fest.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Grabeskirche in Jerusalem / ©  Elisabeth Schomaker (KNA)
Grabeskirche in Jerusalem / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Die erste Strebe fiel exklusiv für die Medien. Am hellichten Tag zerlegten die Experten der Technischen Universität Athen den ersten Träger des Eisengerüsts, das das marode Gebäude seit 1947 zusammenhielt - zu Anschauungszwecken. Die eigentlichen Arbeiten an der Grabkapelle der Jerusalemer Grabeskirche müssen aus Sicherheitsgründen nachts stattfinden. Nacht für Nacht verschwindet seitdem das Eisen, bis die sogenannte Ädikula an diesem Freitag wieder auf eigenen Füßen steht. In wenigen Wochen dann, wenn letzte Feinheiten der Restaurierung abgeschlossen und die Sichtschutzzäune zur offiziellen Wiedereinsegnung entfernt werden, dürfen auch die Besucher die Grabkapelle in einer Gestalt erleben, wie sie seit 70 Jahren keiner mehr sah: freistehend, mit leuchtend hellem statt rußgeschwärztem Stein und mit vom Schmutz der Jahrhunderte befreiten Malereien. Für die Welt außerhalb ist es auch ein Zeichen: Die christlichen Besitzer der Kirche, Griechen, Armenier und Lateiner, haben gezeigt, dass sie doch an einem Strang ziehen können. Diese junge Bau-Ökumene wird sich allerdings noch weiter bewähren müssen. Dringend nötig seien nun weitergehende Konsolidierungsarbeiten an dem instabilen Untergrund, um die Nachhaltigkeit der Restaurierung zu sichern, sagen die griechischen Experten.

Mächte der Unterwelt bedrohen das Gemäuer

Auf Fels ist die Ädikula gebaut, aber eben nur teilweise; und weiterhin drohen die Mächte der Unterwelt. Kanäle, Hohlräume und frühere Ausgrabungen gepaart mit Geröll, steilen Felskanten und großer Feuchtigkeit gefährden dauerhaft das Gemäuer. Glaubt man dem Team aus Athen, gleicht die Unterwelt unter der Rotunde einem Schweizer Käse. Der emeritierte Oxforder Archäologe Martin Biddle stößt sich an dem Wort "Geröll". Unter der Rotunde, sagt er, liegt "eine archäologischer Stätte größter Komplexität und weltweiter Bedeutung". Da schwingt auch Unverständnis des britischen Kenners der Grabeskirche über die Grundentscheidung der Kirchenführer mit: Die Arbeiten an der heiligsten Stätte der Christenheit waren dezidiert als Restaurierung und Konservierung angelegt. Archäologen kamen nicht zum Zuge. In keinem westeuropäischen Land wäre wohl ein solches Vorgehen denkbar.

Die bisherigen Funde, etwa die zerbrochene Marmorplatte, die bei der Entfernung der sichtbaren Marmorplatte auf dem Grab zum Vorschein kam, seien "sehr interessant", aber auch "unproblematisch", sagt Biddle. Seine Publikation über das Grab gilt seit Jahrzehnten als Standardwerk, "geschrieben auf der strikten Basis von wissenschaftlichen Beweisen". Die neuen Funde, sagt Biddle vorsichtig, "scheinen die früheren zu bestätigen". Projektleiterin Antonia Moropoulou und ihr Team plädieren dafür, den Untergrund mit Spezialverfahren wie dem Eingießen speziellen Mörtels zu stabilisieren. Der alte Schutt soll dafür zumindest teilweise entfernt, zeitgemäße Abwasser-, Entwässerungs- und Belüftungssysteme sowie ein Monitoringsystem eingebaut werden.

Bedeutende Zeugnisse unter der Grabeskirche vermutet

Den Archäologen Biddle beunruhigt, dass das Wort Archäologie auch im Rahmen der Präsentation des "Folgeprojekts Rotunde" nicht fiel. Unter der Grabeskirche, glaubt er, warten bedeutende Zeugnisse aus verschiedenen Zeiten der Stadt, die nicht zuletzt zu einem besseren Verständnis beitragen könnten, "wie die Stätte aussah, als man Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts begann, sie als Grabstätte zu nutzen". Weitere knapp 6 Millionen Euro sollen die Arbeiten in der Unterwelt kosten, zusätzlich zu den bereits verbauten 3,4 Millionen. Für die bisherigen Arbeiten steht die Finanzierung vor allem dank privater und institutioneller Spender "auf gesunden Füßen". Das soll in absehbarer Zeit auch die Grab-Ädikula, so wünschen es sich die Forscher. Die Entscheidung darüber wie über die Einbeziehung der Archäologie liegt bei den drei Konfessionen. Sollte deren frische Kooperation die gleiche Belastbarkeit aufweisen, die die Forscher der restaurierten Kapelle voraussagen, dann könnten schon nach Ostern die nächsten Arbeitsschritte beginnen. Für zehn weitere Monate hieße es dann: Kein Stein wird auf dem anderen bleiben.


Quelle:
KNA