Adveniat wird 50 - domradio.de überträgt Festgottesdienst live

"Ein halber Kontinent vertraut auf dich"

"Ein halber Kontinent vertraut auf dich", so warb Adveniat 1961 erstmals um Spenden "für die seelsorglichen Bedürfnisse in Lateinamerika". Seit der ersten Sonderkollekte vor 50 Jahren liefen in Essen bei Adveniat 2,3 Milliarden Euro für Lateinamerika zusammen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Hauptzelebrant ist der Essener Bischof und Adveniat-Beauftragte der Bischofskonferenz Franz-Josef Overbeck. Konzelebranten sind unter anderen der Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Odilo Scherer, der Vizepräsident des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM, Erzbischof Ruben Salazar Gomez aus Bogota, sowie der Weltkirche-Beauftragte der Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick von Bamberg. 450 Gäste werden im Essener Dom erwartet.



Ende November: Erzbischof Zollitsch eröffnet Jahresaktion in Sao Paulo

Seine Jahresaktion zum 50. Jubiläum eröffnet Adveniat erstmals in Lateinamerika. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, wird den Eröffnungsgottesdienst Ende November in einem Armenviertel in Sao Paulo gemeinsam mit dem dortigen Kardinal Scherer zelebrieren. Die deutsche Eröffnung der Adveniat-Aktion findet im Dezember in Köln statt. Die Jubiläumsaktion steht unter dem Motto: "Dein Reich komme", das auch den Wunsch nach einem Leben in Fülle beinhalte, so Adveniat.



Der Eröffnungsgottesdienst in Sao Paulo am ersten Adventssonntag, dem 27. November, wird live im ZDF übertragen. In Köln findet zwei Wochen später ein Lateinamerika-Wochenende mit einem Pontifikalamt im Dom, einem Festakt sowie einer Fiesta Latina statt.



Adveniat - dein Reich komme

Geschäftsführer Bernd Klaschka beschreibt das katholische Hilfswerk als bloßen "Kanal, der die Großherzigkeit der Menschen in Deutschland nach Lateinamerika transferiert". Das klingt sehr technisch. Tatsächlich stehen dahinter sehr viel Menschlichkeit und Begegnung. Adveniat hat einen Namen: Hochrangige Gäste aus Lateinamerika sind häufig in Essen zu Gast. Und wenn man in Guatemala oder Paraguay eine Armenhütte betritt, ist selbst dort der Name häufig bekannt. Abgeleitet ist er vom lateinischen "adveniat regnum tuum" (dein Reich komme) - ein Motto, dem sich das Hilfswerk bis heute verpflichtet fühlt.



Ein ebenso zentrales wie heikles Kapitel in 50 Jahren Adveniat war die Theologie der Befreiung. In den 70er und 80er Jahren, als marxistische und sozialistische Elemente einer "linken Theologie" das Verhältnis zwischen lateinamerikanischen Ortskirchen und dem Vatikan trübten und für massiven Gegenwind aus Rom sorgten, blieb Adveniat der "vorrangigen Option für die Armen" treu.



"Linke Theologie" sorgte für Gegenwind aus Rom

Viele Basisgemeinden der 80er Jahre, vor allem in Brasilien, seien auf vatikanisches Geheiß ausgeschaltet worden, bestätigt Geschäftsführer Klaschka. Viele Bischöfe hätten sich damals auch von der Forderung der Laien nach Mitsprache bedroht gefühlt und sie zum Schweigen gebracht. Den theologischen Kern der Befreiungstheologie, die "vorrangige Option für die Armen" und ihren Grundsatz "sehen - urteilen - handeln", habe sich die Kirchenleitung aber sehr wohl zu eigen gemacht.



Prägende Persönlichkeiten wie der brasilianische Erzbischof Dom Helder Camara (1909-1999), sein 1980 in San Salvador ermordeter Amtsbruder Oscar Romero oder der peruanische Befreiungstheologe Gustavo Gutierrez (83) sind bis heute Ikonen des kirchlichen Ringens um Gerechtigkeit in Lateinamerika - und Zeugen für das Engagement von Adveniat.



Hilfe beim Kirchbau und der Seelsorge

Unterstützt durch Spenden aus Deutschland, setzt sich die Kirche Lateinamerikas auf vielen Ebenen für die Rechte der Benachteiligten ein. Adveniat hilft vor allem in der Seelsorge: beim Kirchbau, in der Priesterausbildung oder den Seelsorgern selbst - darunter auch Laien. Ein entscheidendes Kriterium zur Förderung sei, so die Organisation, ob sie den Armen zugute kommt.



Unbeschreibliche Armut, Hunger, Krankheiten und Bildungselend prägten 1961 Lateinamerika. In den vergangenen 50 Jahren habe sich zwar sehr Vieles entwickelt, bilanziert Klaschka. Doch gerade beim Thema Armut findet er bei Besuchen eine sogar noch verschärfte Situation vor. Vor allem in den Schwellenländern gebe es regelrechte Parallelgesellschaften, betont Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen. Angesichts der wachsenden Schere zwischen Arm und Reich drängt sich damals wie heute die Frage der Verteilungsgerechtigkeit auf.



Armutsbekämpfung bleibt Schwerpunkt

Vor allem drei große Herausforderungen macht Overbeck für die Zukunft aus: erstens die Armutsbekämpfung, zweitens die Frage der Bildung als Schlüssel für soziale Entwicklung und drittens die Herausforderung durch die sogenannten Pfingstkirchen: jene Gruppierungen, Gemeinden und Sekten, die plakativ ein besseres Leben versprechen und der katholischen Kirche auf dem "katholischsten Kontinent" zunehmend "Marktanteile" abringen.



Und noch ein Faktor macht Adveniat das Leben nicht gerade leichter: Die mediale Inszenierung von Katastrophen, die von Erdbeben zu Überschwemmung und von Dürre zu Wirbelsturm weiterhastet, mobilisiert zwar viele Spenden für die Nothilfe - doch lässt sie unter dem Strich weniger Raum für den langfristigen Kampf gegen strukturelle Armut. Das Lateinamerika-Hilfswerk verdrießt das nicht: Ein halber Kontinent vertraut auf Adveniat - das gilt heute noch so wie vor 50 Jahren.